
EU will Zugriff auf US-Finanzdaten
EU-Justizkommissar Jacques Barrot hat erstmals den Anspruch der EU-Terrorfahnder auf US-Banktransaktionsdaten angemeldet. Das geplante Transferabkommen solle auf "perfekter Gegenseitigkeit" basieren. EU-Datenschützer Peter Hustinx empfiehlt dem EU-Parlament, gegen die Pläne der Kommission zu klagen.
Die Europäische Union hat erstmals Finanzdaten von US-Bürgern für die eigene Terrorfahndung beansprucht. Der für Justiz zuständige EU-Kommissar Jacques Barrot sagte am Donnerstag in Brüssel, ein geplantes Abkommen mit Washington zur Nutzung von Finanztransaktionsdaten europäischer Bürger müsse auf "perfekter Gegenseitigkeit" basieren. "Wir wollen die Möglichkeit, die Daten in den USA zu überwachen", sagte Barrot.
Ungeachtet massiver Datenschutzbedenken hatten die EU-Außenminister am Montag den Weg für ein Abkommen zur Weitergabe der Bankdaten an die USA frei gemacht. Damit sollen US-Terrorfahnder weiterhin Zugriff auf Überweisungsdaten europäischer Bürger erhalten.
Bedenken "unbegründet"
Die USA nutzen die Angaben bereits seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, und zwar bis 2007 ohne jegliche internationale Vereinbarung. Das neue Abkommen soll nach der Umbildung der Infrastruktur des belgischen Finanzdienstleisters SWIFT, bei dem die EU-Finanztransaktionsdaten über ein neues Rechenzentrum in der Schweiz abgewickelt werden, vor allem für mehr Rechtssicherheit sorgen. Die besonders in Deutschland geäußerten Befürchtungen über einen Missbrauch der Daten wies Barrot als "unbegründet" zurück.
Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel, die im Innenausschuss des Parlaments sitzt, kritisierte die Ankündigung der EU-Kommission scharf. "Wenn nun auch Daten von US-Bürgern ausgespäht werden, löst das die Frage des Datenschutzes nicht", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Justizkommissar Barrot wies solche Befürchtungen dagegen als "unbegründet" zurück und warf den Kritikern eine "Verzerrung der Fakten" vor.
Hustinx empfiehlt Klage vor EuGH
Der europäische Datenschutz-Beauftragte Peter Hustinx rief das Europaparlament im "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe) auf, vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu ziehen. "Hier geht es um eine ganz große Sache - da brauchen Sie schon starke rechtliche Garantien", sagte Hustinx dem Blatt.
Für eine solche Klage gibt es Vorläufer. Der Luxemburger Gerichtshof hatte bereits im Mai 2006 auf Parlamentsbeschwerde Absprachen zwischen der EU und der USA zur Terrorfahndung gekippt. Damals ging es um die Nutzung von Flugpassagierdaten durch den US-Grenzschutz.
Neue Regeln für US-Behörden
Der Rat der EU-Außenminister hatte am Montag der EU-Kommission das Mandat zu Verhandlungen über die neuen Bedingungen des US-Zugriffs auf die SWIFT-Finanztransaktionsdaten erteilt. Transaktionen aus dem EU-Zahlungsraum SEPA sind nach Angaben von SWIFT als durchlaufende Posten nicht betroffen. Wie das Bundeskanzleramt (BKA) ORF.at am Dienstag mitteilte, muss die Kommission vor dem Start der Verhandlungen allerdings noch die Zustimmung der französischen Nationalversammlung abwarten, die Franzosen haben Parlamentsvorbehalt geltend gemacht. Weiterhin soll das neue Abkommen, das eine Vereinbarung aus dem Jahr 2007 ersetzt, nur eine Laufzeit von einem Jahr haben, da das EU-Parlament derzeit kein Mitspracherecht hat, was sich aber nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ändern würde.
Auch weitere Rahmenbedingungen für die Verhandlungen nannte das BKA. So sollen die US-Fahnder nicht mehr einfach auf die Transferdaten zugreifen dürfen, sondern müssten darum ersuchen. Weiterhin würden nun die EU-Datenschutzbestimmungen und die Europäische Menschenrechtskonvention einen Rechtsrahmen für den Zugriff bieten, es seien auch jährliche Evaluierungen der Transfer- und Analysemaßnahmen vorgesehen. Über die ebenfalls vorgesehene Behörde, bei der Bürger Einsicht in die Kontrollmaßnahmen beantragen können sollen, bestehe allerdings noch keine Einigkeit.
(AFP/futurezone)