
EU: Grünes Licht für Bankdatenverhandlungen
Die Außenminister der EU haben der Kommission das Mandat für Verhandlungen mit den USA über die Nutzung von Finanztransferdaten aus dem SWIFT-System erteilt. Damit sollen neue Regeln für den Zugriff auf EU-Finanzdaten zur Terrorbekämpfung formuliert werden. Es werden dabei die Datenschutzregeln der EU gelten.
Ungeachtet der Warnungen von Datenschützern hat die Europäische Union ein Abkommen auf den Weg gebracht, das US-Terrorfahndern den Zugriff auf Bankdaten europäischer Bürger ermöglichen soll. Die EU-Außenminister beschlossen am Montag in Brüssel ohne jede Diskussion ein Verhandlungsmandat für die EU-Kommission und die schwedische Ratspräsidentschaft, wie Diplomaten mitteilten.
Da die Verhandlungen erst noch aufgenommen werden, ist über den möglichen Inhalt des Abkommens noch kaum etwas bekannt. Seitens des österreichischen Bundeskanzleramts (BKA) hieß es gegenüber ORF.at in der vergangenen Woche, dass man den Datenschutz für EU-Bürger stärken wolle. Das solle unter anderem durch die Einrichtung einer Behörde geschehen, bei der Bürger Einsicht in die Abfragen nehmen und sich gegebenenfalls über unrechtmäßige Zugriffe beschweren könnten.
Kontakt mit SWIFT
Die EU will den US-Sicherheitsbehörden zur Terrorfahndung auch weiterhin den Zugriff auf Millionen von Bankdaten ermöglichen, die der belgische Finanzdienstleister SWIFT verwaltet. Darunter sind auch grenzüberschreitende Überweisungen in der EU, allerdings - nach Aussagen von SWIFT - nicht die Überweisungen aus dem europäischen Zahlungsraum SEPA. Die USA nutzen die Daten bereits seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Die EU erhofft sich davon Erkenntnisse für die eigene Fahndung.
Das Abkommen zwischen der EU und den USA soll nach der Sommerpause stehen. Die Daten können nach dem Verhandlungsmandat für maximal fünf Jahre zur Terrorfahndung gespeichert werden. Datenschützer und Politiker bemängeln, dass Bürger nichts vom Zugriff auf ihre Daten erfahren. Außen vor bleibt bei den Verhandlungen auch das EU-Parlament, da diese über die "dritte Säule" der Union laufen, in der die gemeinsame Sicherheitspolitik definiert wird.
Einbeziehung des Parlaments
Die EU-Volksvertreter werden allerdings ein Mitspracherecht haben, sobald der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt. Daher peilen die Verhandlungsführer seitens der EU für die neue Vereinbarung eine Laufzeit von einem Jahr an.
Seitens der österreichischen EU-Parlamentarier haben sich SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried und FPÖ-Delegationsleiter Andreas Mölzer in Aussendungen ablehnend gegenüber der Übermittlung von Finanzdaten in die USA geäußert. Leichtfried: "Es war ein Fehler, der Kommission das Mandat zu erteilen. Ich finde die Tendenz, die Bürger grundsätzlich als Verbrecher zu behandeln, fatal. Die EU ist keine Kolonie der USA. Sie sollte ihre Bürger vor den USA schützen. Das können die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht leisten."
Als einzige Einflussmöglichkeit des Parlaments sieht Leichtfried die anstehende Bestätigung der Kommissionsmitglieder durch die EU-Volksvertretung. "Das wird aber schwer, weil Konservative und EU-Skeptiker die Mehrheit haben", so Leichtfried, "Barroso hat sich damit wieder ein Stück des Wegs verbaut." Da das Parlament nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ein Mitspracherecht in Sicherheitsfragen erhält, erwartet Leichtfried, dass Rat und Kommission vorher noch versuchen werden, eine Reihe unliebsamer Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen durch die Institutionen zu schleusen.
Datenhoheit und Rechtssicherheit
Der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas, der sowohl im Wirtschafts- als auch im Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments tätig ist, präzisierte gegenüber ORF.at die Reichweite des Beschlusses vom Montag: "Österreich und Finnland haben durchgesetzt, dass das Verhandlungsmandat nur auf der Grundlage erteilt wird, dass im Ergebnis die Datenschutzregeln der Europäischen Union gelten. Der zweite wichtige Punkt ist, dass die europäischen Daten nur noch in der EU gespeichert werden dürfen."
Im alten SWIFT-Verfahren wurden die Transaktionsdaten im US-Rechenzentrum gespiegelt. Nun sollen sie im neuen Rechenzentrum in der Schweiz gebündelt werden. Karas begrüßt die Aufnahme neuer Verhandlungen unter diesen Voraussetzungen. "Ich stehe zu diesem Beschluss. Die neue Rechtsgrundlage bringt einen enormen Fortschritt, zumal es sich hierbei um ein ausgesprochen sensibles Thema handelt", so Karas. "Schließlich ist es auch sehr wichtig, dass EU und USA einen Informationsaustausch zur Terrorbekämpfung pflegen." Auf die Daten aus dem ebenfalls von SWIFT gemanagten SEPA-System erstrecke sich das Verhandlungsmandat nicht, so Karas: "Das kann man nicht 1:1 umsetzen."
Auch bisher dürfen die USA auf die SWIFT-Daten zugreifen, allerdings auf Grundlage eines mit heißer Nadel gestrickten Abkommens aus dem Jahr 2007, das nur schwache Datenschutzvorkehrungen vorsieht. Dieses Abkommen wurde getroffen, nachdem bekanntwurde, dass US-Behörden ohne jede formale Vereinbarung nach dem 11. September die im SWIFT-Rechenzentrum in Virginia gespiegelten Transaktionsdaten regelmäßig zur Terrorfahndung abgezogen hatten.
SWIFT: Neue Verhandlungen mit den USA
(futurezone/Günter Hack/AFP)