Rekordfusion hinterlässt Ratlosigkeit
Die weltgrößte Fusion zwischen dem weltgrößten Online-Dienst AOL und dem weltgrößten Medienkonzern Time Warner ist beschlossen und genehmigt.
Aber die Konsequenzen für die globale Medienlandschaft und die Details des Zusammenwachsens der beiden Unternehmen werfen nach wie vor viele Fragen auf - die auch vom Chor der Kommentatoren und Branchenexperten nicht beantwortet werden können.
Nach Bekanntgabe des Deals vor rund einem Jahr wurde von Journalistenverbändenn und Verbraucherschützern vor der Gefahr einer übermächtigen Medienkontrolle durch einen Konzern gewarnt.
Bei der Frage, wie die extrem unterschiedlichen Unternehmenskulturen und -strukturen zusammenwachsen sollen, wurde vor allem auf das unterschiedliche Tempo der Unternehmens- und Produktentwicklung hingewiesen, das durch den AOL-Kursverfall seit Bekanntgabe des Mergers vor einem Jahr deutlich illustriert wurde.
Der Zusammenschluss des weltgrößten Internetanbieters America Online Inc. und des weltgrößten Medienunternehmens Time Warner ist perfekt. Die beiden Großkonzerne haben sich zur neuen AOL Time Warner Inc. zusammengeschlossen, teilten die Unternehmen am Donnerstagabend mit.

Size does matter
Vor einem Jahr kommentierte die Pariser Tageszeitung "Liberation": "Die Hochzeit zwischen dem allgegenwärtigen Medienkonzern Time Warner und AOL ist ein Qualitätssprung."
"Die klassischen Fusionsgewinne sind dabei unwesentlich. Diese Verbindung zeichnet die gesamte technische und intellektuelle Entwicklung der westlichen Gesellschaften von Gutenberg bis Bill Gates nach."
Nach einem Jahr der Dot.com-Krise, in dem viele Online-Geschäftsmodelle floppten, scheint allerdings der "klassische" Fusionsgewinn - die schiere Größe des Unternehmens - wieder ein sehr wichtiger Faktor zu werden.
Branchenexperten sind nämlich einhellig der Meinung, dass die derzeitige Krise von großen Unternehmen besser bewältigt werden kann als von den kleinen. Dabei wird trotzdem generell von Entlassungen bei AOL ausgegangen.
Die "neue Qualität" der Fusion bleibt dagegen auch nach einem Jahr noch sehr konturlos. Insbesondere die konvergenten "Killeranwendungen", die von dem neuen Konzern erwartet werden, sind alles andere als ausformuliert [Web-TV, etc.].
Die Transaktion hat einen Wert von rund 106 Milliarden USD [111,3 Mrd. Euro]. Der Zuammenschluss erfolgte, nachdem die amerikanische Kommunikationsbehörde FCC [Federal Communications Commission] mit bescheidenen Auflagen ihre Zustimmung gegeben hatte. Zuvor hatte die US-Wettbewerbsbehörde FTC [Federal Trade Commission] grünes Licht gegeben. Ursprünglich hatte die Fusion einen Wert von 165 Milliarden Dollar. Die AOL- und die Time-Warner-Aktienkurse sind jedoch seit der Fusionsankündigung vor einem Jahr deutlich gefallen, sodass sich der Wert der Transaktion erheblich reduziert hat. Vor einem Jahr wurde die Fusion angekündigt.

Zahnlose Auflagen
Verbrauchergruppen waren von Begin an auf Grund der geballten Macht gegen den Zusammenschluss.
Die Fusion hebe die Trennung von Netzbetreibern und den Herstellern der Inhalte auf und "bedroht so Demokratie, Meinungsvielfalt und Qualität in den Medien", erklärte der Internationale Journalistenverband [IFJ] vor einem Jahr.
Die Auflagen der Wettbewerbshüter entschärfen diese Befürchtungen nicht unbedingt. Branchen-Insider sehen lediglich in den Auflagen, die Warners Kabelnetz betreffen, eine ernsthafte Handlungseinschränkung - allerdings werden die Kabelnetze immer wieder als Haupt-Fusionsargument genannt.
Die Einschränkungen, die AOLs Instant Messenger betreffen, dürften dagegen wenig bis keine Konsequenzen auf AOLs Marktpostion haben.
Die FCC hat Auflagen zur Öffnung des Instant Messaging Service von AOL für Konkurrenten gemacht. Er muss mit denen der Konkurrenten kompatibel gemacht werden, sobald Hochgeschwindigkeitsdienste wie Video-Konferenzen angeboten werden. Time Warner verfügt über die Warner-Bros.-Film- und Fernsehstudios, Kabelfernsehnetze und -kanäle wie CNN und HBO, Magazine wie "Time", "People" und "Fortune" und Vergnügungsparks. Das Time-Warner-Kabelfernsehsystem ist nach AT&T das zweitgrößte der USA und hat 12,6 Millionen angeschlossene Haushalte. Die Netze können jedoch bis zu 20 Millionen US-Haushalte erreichen.

Konsequenz unklar
Zusammenfassend lässt sich derzeit nicht ausmachen, wohin die Rekordfusion führen wird.
Das dürfte vor allem daran liegen, dass der Zusammenschluss kein Vorbild hat. Und selbst Fusionen in "übersichtlichen" Branchen wie die zwischen Daimler und Chrysler sind offensichtlich keine Erfolgsgarantie.