Microsoft kauft sich Handlungsfreiheit
Mit einer Zahlung von 440 Millionen USD an InterTrust Technologies hat Microsoft erneut einen Rechtsstreit mit Konkurrenten beigelegt.
Damit bestätigt sich die Einschätzung von Beobachtern, nach der der Konzern derzeit sein auf mehr als 50 Mrd. USD geschätztes Barvermögen dazu verwendet, um Streitigkeiten beizulegen und so einerseits sein Image aufzubessern und andererseits bei Schlüsseltechnologien freie Hand zu bekommen:
Hinter InterTrust stehen Sony und Philips, im letzten Sommer klärte Microsoft gegen die Zahlung von 750 Mio. USD sein Verhältnis mit dem Netscape-Eigentümer AOL Warner und erst vor zehn Tagen legte der Konzern für mehr als zwei Mrd. USD seine Streitigkeiten mit dem einstigen Erzrivalen Sun bei.
Die Börsen scheinen den Microsoft-Kurs jedenfalls zu honorieren: Die MS-Papiere legten gestern um 0,51 Prozent auf 25,61 USD zu.

Kern-Technologie
Nach Ansicht von Branchenbeobachtern steckte Microsoft beim Streit mit Intertrust in den größten Patenschwierigkeiten seiner Konzerngeschichte. In dem Verfahren, das die von Sony und Philips kontrollierte Firma IntertTrust gegen MS betrieb, ging es um essentielle Elemente der wichtigsten Konzern-Produkte:
Die umstrittenen Software-Codes für DRM [Digital Rights Management] und "Trusted Systems" fungieren als wichtiges Teile beispielsweise in Windows XP, Office XP, dem Windows Media Player, der Xbox oder der .NET-Plattform.
Die entsprechende Software ist unter anderem deshalb so wichtig, weil sie die Grundlagen für den sicheren Online-Vertrieb von Copyright-geschützen Inhalten wie Musik oder Filmen darstellt.
MS musste letztes Jahr eine bedeutende Schlappe in dem Verfahren einstecken, was die Rolle von InterTrust als Vehikel von Sony und Philips im Konkurrenzkampf deutlich aufgewertet hat.
InterTrust Technologies wurde im Herbst 2002 für 453 Mio. USD von einer Investorengruppe um die beiden Elektronikkonzerne Sony und Philips gekauft. InterTrust wurde 1990 von Victor Shear gegründet und beschäftigte zeitweise 376 Angestellte. Zuletzt schien das Unternehmen allerdings nur noch einem Zweck zu dienen, nämlich für Sony und Philips eine unliebsame Konkurrenz in Schach zu halten: 2003 beschäftigte InterTrust nur noch 30 Angestellte und neben dem Prozess gegen Microsoft schien es keine weiteren Firmenaktivitäten zu geben.

"Schutzdienste gegen Raubkopierer"
Die Beilegung des Rechtsstreits mit InterTrust werde die Entwicklung von "Schutzdiensten gegen Raubkopierer" beschleunigen, teilte Microsoft jetzt mit:
"Das ist eine wichtige Vereinbarung, die die Unsicherheiten der Branche verringert", erklärte Microsoft-Vize-Chef Will Poole. Die Vereinbarung räumt Microsoft eine Lizenz auf InterTrust-Patente ein.

Der Sun-Frieden
Erst vor zehn Tagen haben die einstigen Erzrivalen Microsoft und Sun Microsystems mit einem Milliardenvergleich ihre jahrelange Fehde beendet.
Sun erhält dabei von Microsoft 700 Millionen USD [569 Mio Euro] zur Beilegung aller kartellrechtlichen Streitigkeiten sowie 900 Millionen USD für die Beilegung von Patentbeschwerden.
Die beiden Konzerne einigten sich auch auf die gegenseitige Zahlung von Lizenzgebühren für die Verwendung jeweiliger Technologien. Microsoft macht hierfür eine Vorauszahlung von 350 Millionen USD.

Der Netscape-Frieden
Und im letzten August haben Microsoft und AOL Time Warner einen Rechtsstreit beigelegt und eine Zusammenarbeit bei digitalen Medien vereinbart.
AOL hatte Microsoft im Jänner 2002 im Auftrag seines Tochterunternehmens Netscape Communications wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht verklagt. Microsoft hat 750 Millionen USD an AOL zur Beilegung des Streits über den Einsatz von Browsern gezahlt.
AOLs Internet-Browser Netscape war Anfang der 90er Jahre noch mit weitem Abstand Marktführer, Ende der 90er war Microsofts Internet Explorer auf rund 98 Prozent aller Personal Computer präsent.
