Staaten wollen Rekordstrafe für Microsoft
Im EU-Kartellverfahren gegen Microsoft soll nach dem Willen der Mitgliedsstaaten am Mittwoch eine Rekordgeldstrafe wegen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung bei PC-Betriebssystemen verhängt werden:
Im Laufe der Nacht wurde die zuerst in der Presse mit rund 500 Mio. Euro kolportierte Strafe von einem Mitgliedsstaat mit 497 Mio. Euro konkret angegeben. Auch der Software-Konzern selbst nimmt die Meldungen so ernst, dass sowohl ein Anwalt als auch ein Firmensprecher darauf eingingen.
Jetzt muss allerdings noch die EU-Kommission die Strafe am Mittwoch unterstützen, wobei es zuletzt widersprüchliche Signale gegeben hatte.
Sollte es zur von den Mitgliedsstaaten gewünschten Strafe kommen, wäre diese höher als die bisherige Rekordsumme von 462 Millionen Euro gegen den Schweizer Pharmakonzern Hoffman-La Roche als Führer eines Vitaminkartells im Jahr 2001. Die absolute Höchstgrenze eines Bußgeldes der EU beträgt zehn Prozent eines Jahresumsatzes. Bei Microsoft wären das 3,43 Milliarden USD.
"Das ist ein Strafzettel für Microsoft", sagte Thomas Vinje von Clifford Chance. Neil Macehiter, Analyst bei der in London ansässigen Ovum fügte hinzu, selbst eine Strafe von drei Milliarden Dollar wäre für Microsoft nicht "aufregend und würde sicher nicht die Bank sprengen".

Schon in den USA geregelt
Microsoft-Anwalt Horacio Gutierrez kritisierte das Bußgeld als ungerechtfertigt. Der Konzern bekräftigte zugleich, die Kartellentscheidung der EU juristisch anzufechten.
"Wir glauben, es ist einmalig und unangemessen, dass die Kommission ein Bußgeld gegen die US-Aktivitäten eines Unternehmens verhängt, nachdem diese bereits mit der US-Regierung geregelt und die in Frage stehende Handlungsweise sowohl vom US-Justizministerium als auch von US-Gerichten genehmigt wurden", sagte der Microsoft-Anwalt.
In den USA hatte sich das Justizministerium in einem anderen Kartellfall mit dem Unternehmen auf einen Vergleich geeinigt.
Microsoft-Sprecher Tom Brookes sagte, beide Seiten hätten monatelang versucht, eine Einigung zu erreichen. Die Tatsache, dass die Kommission einen Handel mit Microsoft abgelehnt habe, zum Teil, um einen juristischen Präzedenzfall zu schaffen, zeige, dass es zuvor keinen derartigen Fall gegeben habe. Das bedeute, dass ein solches Verhalten in der Vergangenheit nicht als wettbewerbswidrig eingestuft worden sei.
Unbekannter Faktor Kommission
In der EU-Kommission wuchs im Februar anscheinend der Widerstand
gegen eine harte Entscheidung. Nach EU-Kommissar Frits Bolkestein
[Binnenmarkt] hatte auch EU-Handelskommissar Pascal Lamy
Wettbewerbskommissar Mario Monti zur Mäßigung in dem Fall
aufgerufen.

Auflagen gefürchtet
Analysten zeigten sich unterdessen kaum gerührt, da eine Strafe von 497 Mio. Euro weniger als zwei Prozent des auf etwa 53 Milliarden USD [43 Mrd. Euro] geschätzten Bargeldbestandes des Konzerns ausmacht.
Microsoft dürfte sich denn auch vor den erwarteten Auflagen wesentlich mehr fürchten als vor der Geldstrafe: Die Kommission wird wahrscheinlich verlangen, dass Microsoft künftig eine zweite Version des Windows-Betriebssystems anbietet, die nicht mit dem Media Player ausgerüstet ist.
Die EU-Kommission hält die Verknüpfung dieses Programms mit Windows für wettbewerbsschädlich, weil Microsoft damit konkurrierende Software für audiovisuelle Anwendungen vom Markt dränge.
Als zweite zentrale Forderung verlangt die Kommission von Microsoft, konkurrierenden Server-Herstellern gegen eine angemessene Lizenzgebühr mehr Informationen zu Windows-Schnittstellen zur Verfügung zu stellen.
