Brainstorming für Barcode-Nachfolger
Große Handelsketten arbeiten seit geraumer Zeit mit IT-Firmen und Forschungseinrichtungen zusammen, um jegliche Produkte von der Mineralwasserflasche über den Pullover bis zur Autoachse mit Funkchips zu versehen.
Dabei versprechen die RFID-Chips [Radio Frequency Identification], die früher oder später das heutige Barcode-System zur Warenidentifikation ablösen sollen, eine ganze Reihe von Einsparungs- und Marketing-Möglichkeiten:
Die Waren [und somit streckenweise auch deren Besitzer] könnten vom Lager, das den Supermarkt beliefert, bis zum Recyclingewerk, in dem der Müll schließlich landet, über das Internet verfolgbar sein.
Während das aber im Logistik-Bereich niemandem Kopfzerbrechen bereitet, sehen Konsumenten- und Datenschützer in dem Moment, in dem die Ware den Supermarkt verlässt und dabei immer noch verfolgbar bleibt, ein Problem.
Unlängst wurde bekannt, dass das Auto-ID-Center der Industrie auch damit betraut ist, Standards für die Vernetzung der RFID-Chips und entsprechende Online-Tracking-Systeme zu entwickeln.

Biowaffen-Frühalarm
Erste Feldversuche mit Waren, die mit RFID-Chips gekennzeichnet sind, wurden unter anderem vom Rasierklingen-Hersteller Gillette durchgeführt. Dabei hat die US-Supermarktkette Walmart nach Konsumentenprotesten allerdings schon einen Rückzieher gemacht.
In der Folge scheinen die beteiligten Branchen in eine Art kollektives Brainstorming verfallen zu sein, um Wege zu finden, die Akzeptanz für die Funkchips wieder zu steigern.
Dabei gibt es technische Vorschläge wie das zeitweilige Blockieren der Chips und für solche mit einer Abschaltungsfunktion, aber vor allem in den USA auch politische Ansätze, nach denen den Funkchips Aufgaben bei der "Terrorabwehr" zukommen sollen.
Firmen wie Procter & Gamble haben sich dafür Anfang des Monats zusammengeschlossen und versuchen nun von der Heimatschutzbehörde eine entsprechende Nominierung der RFID-Chips als Anti-Terror-Technologie zu erreichen.
Diese Lobby hat diese Woche noch einmal nachgelegt und angeregt, auch Biosensoren in die Chips zu integrieren, sodass Anschläge mit biologischen Waffen frühzeitig und dezentral entdeckt werden könnten.
Aber auch ohne die zusätzlichen Sensoren soll durch die lückenlose Überwachung der Waren sichergestellt werden, dass etwaige Kontaminierungen oder Manipulationen von Waren leichter zurückverfolgt werden können.

Blocken oder killen
Jenseits der etwas fantastisch - und kostspielig - anmutenden "Anti-Terror-Visionen" gibt es aber auch Ideen, wie die RFID-Chips technisch modifiziert werden könnten, um die Konsumentenbedenken zu zerstreuen.
Von Philips, Alien Technology und Matrics werden demnächst Lösungen erwartet, bei denen die Chips mit einem Ausschalter versehen werden, der ebenfalls via Funk arbeitet. Dabei sollen einmal deaktivierte Chips danach nicht mehr eingeschaltet werden können, weshalb man von einer "Kill"-Lösung spricht. Philips will sogar noch dieses Jahr mit der Massenproduktion entsprechender Chips beginnen.
Für Hersteller von Konsumgütern hat die "Kill"-Lösung allerdings den Nachteil, dass Produkte beispielsweise im Müll nicht mehr automatisch entdeckt werden könnten - aber gerade der vollständige Weg einer Verpackung interessiert die Industrie.
RSA Security hat daher jetzt einen weiteren Ansatz angekündigt, bei dem es billige "Block"-Chips, die beispielsweise in Uhren integriert werden könnten, dem Konsumenten ermöglichen, die Übertragung von RFID-Informationen in seiner unmittelbaren Nähe zu unterbinden. Ob das möglich ist, ohne die Chips an wichtigen Punkten wie der Kasse unbrauchbar zu machen, scheint aber noch etwas unklar.
Auch jenseits der Lebensmittelbranche wird über den Einsatz der RFID-Chips nachgedacht: Der italienische Strickwarenerzeuger Benetton will die Produkte seiner Marke Sisley demnächst mit den Radiochips ausstatten.
