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SWIFT: Vetodrohung des EU-Parlaments

FINANZDATEN
20.01.2010

Das EU-Parlament hat im Konflikt mit dem Ministerrat um das SWIFT-Interimsabkommen über den Finanzdatenaustausch mit den USA erstmals seine Muskeln spielen lassen. Parlamentspräsident Jerzy Buzek drohte in einem Schreiben an die Ratspräsidentschaft mit künftigen Vetos, wenn der Ministerrat dem Parlament nicht umgehend den Vertragsentwurf vorlege.

Bei der Aussprache des EU-Parlaments mit der Ratspräsidentschaft am Mittwochnachmittag entlud sich der im Dezember ausgebrochene Konflikt zwischen dem Ministerrat und dem Parlament. Wieder einmal oder "noch immer" geht es um das Abkommen zur Weitergabe von SWIFT-Finanztransaktionsdaten an die USA.

Der Sprecher der spanischen Ratspräsidentschaft, Jose Lopez Garrido, erntete aus allen parlamantarischen Lagern - auch von den Konservativen - heftige Kritik. Am meisten erboste die Parlamentarier die Erklärung, warum der versprochene Text des Abkommens noch immer nicht vorliege. Garrido hatte "Übersetzungsprobleme" als Verzögerungsgrund angegegeben.

Buzek (EVP), der Präsident des EU-Parlaments, hatte den Ministerrat auch im Namen der anderen Fraktionen aufgefordert, endlich den Text des Abkommens zur Verfügung zu stellen, und zwar bis zu dieser Sitzung.

"Inakzeptabel, Vetorecht"

Buzek erklärte in seinem Schreiben vom 15. Jänner, das ORF.at vorliegt, an den "amtsführenden Ratsprä?identen" Jose Luis Rodriguez Zapatero und den (neuen) "Präsidenten des Europäischen Rats", Herman van Rompuy:

"In Anbetracht der politischen Sensibilität des Themas SWIFT muss ich Ihnen (...) sagen, dass diese Situation inakzeptabel ist. Der Vertrag von Lissabon hat dem Parlament ein Vetorecht bei derartigen Verträgen erteilt. Es ist daher nicht klug ('unwise') seitens des Rats, Verträge welcher Art auch immer - aber speziell diesen, inhärent kontroversiellen - abzuschließen, ohne davor die Zustimmung des Parlaments einzuholen."

"Alle fiesen Tricks"

Mit dieser Androhung künftiger Vetos gegen Beschlüsse der Kommission bezieht sich der ehemalige Solidarnosc-Aktivist und nachmalige polnische Ministerpräsident auf einen Schachzug des EU-Ministerrats vom Dezember des abgelaufenen Jahres.

Der EU-Ministerrat hatte nur wenige Stunden vor dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags, der dem Parlament ein Mitspracherecht bei SWIFT einräumt, ein Interimsabkommen über den Finanzdatenaustausch mit US-Terrorfahndern finalisiert.

Der Hergang des Konflikts

Deutschland, Österreich, Ungarn und Griechenland hatten das SWIFT-Interimabskommen auf Ministerratsebene so lange blockiert, wie dies politisch durchzuhalten war. Bei der Verabschiedung enthielt man sich. Im Dezember eskalierte der Konflikt um ein Abkommen, das die Parlamentarier bis heute nicht zu Gesicht bekommen haben.

"Der Rat versucht alle möglichen fiesen Tricks", sagte die österreichische EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger (Die Grünen) am Mittwoch zu ORF.at.

Aber diesmal habe man sich getäuscht, denn "Blankogutscheine für den Rat" gebe es seit Lissabon nicht mehr. Bei diesem Anlass zeige sich wieder einmal, welche der EU-Institutionen transparent agiere und welche eben nicht.

"Das Parlament muss sehr aufpassen, dass ihm die neuen Rechte nicht auf informellem Weg wieder abgenommen werden" warnte Lichtenberger.

"Mehr als unschön"

Ernst Strasser (EVP), der im Rahmen seiner Fraktion für das Thema SWIFT zuständig ist, fand die Vorgangsweise von Rat (und Kommission) einen "mehr als unschönen Akt". Es könne doch niemand von den Parlamentariern verlangen, dass sie binnen weniger Stunden ein ganzes Vertragswerk beurteilen und darüber abstimmen sollen.

In der kommenden Woche sei dafür die letzte Gelegenheit. Die Zeit drängt nämlich, denn das vom Ministerrat noch in Eigenregie ausgehandelte Interimsabkommen mit den USA tritt bereits im Februar in Kraft.

Das Plenum des EU-Parlaments formulierte im Anschluss die Bedingungen, unter denen dem SWIFT-Interimsabkommen, das Ende 2010 wieder ausläuft, zugestimmt werden könne. Anderfalls werde man es ablehnen, hieß es.

"...nicht auf sich beruhen lassen"

Was das bedeutet, hat Parlamentspräsident Buzek in seinem Schreiben an die Ratspräsidentschaft(en) so ausgedrückt: "Wenn der Rat unfähig ist, diesem Verlangen" nach Auskunft nachzukommen, dann sei es "unwahrscheinlich", dass die Parlamentarier "die Angelegenheit auf sich beruhen lassen würden."

Ernst Strasser zeigte sich gegenüber ORF.at jedenfalls optimistisch, dass das nächste SWIFT-Abkommen wie auch das ebenfalls wieder anstehende Übereinkommen deutlich anders aussehen werden.

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(futurezone/Erich Moechel)