
EU-Parlament will SWIFT-Abkommen prüfen
Österreichische EU-Parlamentarier habenden Beschluss der EU-Innenminister über das Datenaustauschabkommen mit den USA (SWIFT-Abkommen) einhellig scharf kritisiert. Das Parlament, das den Vertrag immer noch als Ganzes ablehnen könne, da er nicht durch die Minister ratifiziert worden sei, werde nun weitere Schritte prüfen.
Der Beschluss "fünf Stunden vor dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags", mit dem das Europaparlament ein Mitspracherecht in dieser Angelegenheit bekommt, sei ein "mehr als unfreundlicher Akt" gewesen, sagte Strasser am Dienstag in Brüssel.
Angesprochen darauf, dass Österreich mit Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) den Beschluss durch ein Veto hätte verhindern können, nahm Strasser seine Parteikollegin in Schutz. "Österreich und Deutschland haben hier Haltung bewiesen."
Die beiden Staaten hatten ebenso wie Ungarn und Griechenland zwar nicht gegen das SWIFT-Abkommen votiert, aber sich der Stimme enthalten. Strasser sagte, wenn man vor allem die Vorbehalte von Österreich und Deutschland für das Übergangsabkommen lese, seien darin die zentralen Kritikpunkte betreffend Datenschutz vorhanden.
Gang vor den EuGH
Im Innenausschuss des Europaparlaments am Mittwoch werde er zum Thema SWIFT verlangen, dass die Rechtsabteilung mit der Sache befasst werde. Der Ministerrat habe das Abkommen zwar signiert, aber nicht ratifiziert. "Das heißt, dass dem Parlament der gesamte SWIFT-Vertrag vorgelegt wird, vermutlich offiziell morgen, aber dass wir keine inhaltlichen Änderungen mehr vornehmen können, sondern nur mehr sagen: ja oder nein."
Auf die Frage, wann das EU-Parlament darüber abstimmen werde, sagte Strasser, das sei offen. "Aber wir wollen wissen, wie die rechtliche Position des EU-Parlaments hier im Detail in dieser Übergangsphase ist", so Strasser. "Da möchte ich eine detaillierte rechtliche Würdigung durch den Rechtsdienst des Parlaments haben und außerdem wissen, welche Alternativen offenstehen. Ich möchte nicht ausschließen, dass es hier auch den Gang zum EuGH gibt."
Rechtliche Auswirkungen unklar
Nach erster Durchsicht des SWIFT-Textes "muss man sagen, dass den datenschutzrechtlichen Bedenken nicht ausreichend Rechnung getragen worden ist. Und es wurde hinsichtlich des Rechtsschutzes der Betroffenen keine adäquate Lösungsmöglichkeit gefunden, die auch die Rechtsdurchsetzung in den USA gewährleistet", sagte Strasser.
Auf die Frage der APA, ob das Parlament seiner Meinung nach dem SWIFT-Beschluss des Innenministerrats zustimmen oder ihn ablehnen solle, sagte Strasser: "Da will ich zuerst wissen, was morgen im Detail (im Innenausschuss, Anm.) die Kommission sagen wird." Rechtlich zu klären sei vor allem, "was passiert, wenn das Europaparlament Nein sagt. Was hat das für Auswirkungen?", so Strasser.
Leichtfried erneuert Kritik
Auf Anfrage von ORF.at sagte der SPÖ-Europaabgeordnete Jörg Leichtfried, dass eine mögliche Ablehnung des SWIFT-Vertrags durch das Parlament in der Sozialdemokratischen Fraktion noch nicht diskutiert worden sei. "Ich persönlich wäre allein schon aus exemplarischen Gründen dafür, das Abkommen abzuschießen", so Leichtfried.
"Die Entscheidung des Rats, das Abkommen so knapp vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags abzuschließen, ist nicht akzeptabel. Man muss auch sagen, dass die Minister, die sich enthalten haben, hier keine Heldentat vollbracht haben. Sie sind einfach mitgeschwommen." Wenn sich die Möglichkeit ergebe, dann würde er gegen das Abkommen stimmen.
Lissabon-Vertrag erzwingt neues Vorgehen
"Internationale Verträge mussten schon früher noch vom Parlament ratifiziert werden", so Eva Lichtenberger, EU-Abgeordnete der Grünen, am Dienstag auf Anfrage von ORF.at, "allerdings wurde das immer im Konsens durchgewunken, weil wir in Sicherheitsfragen ohnehin nicht mitbestimmen durften." Der Rat habe sich durch sein eiliges Vorgehen nun "in den Finger geschnitten", so Lichtenberger, da mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags das Parlament nun mitbestimmen könne.
Es sei noch nicht sicher, wie das Parlament mit dieser neuen Situation umgehen werde. Lichtenberger: "Das Prozedere steht noch nicht fest. Das Thema steht für morgen um 9.00 Uhr als erster Punkt auf der Tagesordnung des Innenausschusses (LIBE). Danach werden wir weitersehen." Es sei möglich, aber eher unwahrscheinlich, dass das Parlament eine Resolution mit Änderungswünschen verabschieden werde.
Sicher sei allerdings, dass die Minister das Parlament quer durch alle Fraktionen sehr stark verärgert hätten. "Wenn der Rat klug gewesen wäre, dann hätte er gewartet und das Parlament in seine Entscheidung mit eingebunden", so Lichtenberger.
Bandion-Ortner: Abkommen "vertretbar"
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner bezeichnete die Enthaltung Österreichs beim EU-Innenministerrat über das Datenaustauschabkommen mit den USA (SWIFT) als "vertretbar". Beim EU-Justizministerrat am Dienstag in Brüssel zeigte sich Bandion-Ortner zwar nicht glücklich über den tags zuvor erfolgten Beschluss für ein Übergangsabkommen, doch sei es nur für neun Monate gültig, und "dann wird die Diskussion neu entflammen".
Generell gehe es um eine "Gratwanderung zwischen Persönlichkeitsschutz, Datenschutz und effizienter Strafverfolgung". Beim Thema Bankgeheimnis sei man "zu Recht" sehr vorsichtig, was sensible Daten betrifft. Angesprochen darauf, ob man beim Datenschutz über Bankinformationen zwischen der EU und den USA nicht vorsichtig genug gewesen sei, sagte Bandion-Ortner, die Problematik sei vielleicht nicht so genau erkannt worden.
Befragt, ob die EU-Kommission die Verantwortung trage, winkte die Ministerin ab. "Man kann die Schuld nicht allein bei der Kommission sehen, ganz ehrlich. Ich glaube, es gibt mehrere, die Schuld an der ganzen Geschichte haben."
(APA/futurezone)