Peking, Pinguine und Monopolkapitalisten
Bei einem IT-Großauftrag der Stadt Peking kommt Microsoft als einziger von sieben Anbietern nicht zum Zug.
Die chinesische Metropole setzt beim Betriebssystem künftig auf das heimische Redflag Linux. Die Entscheidung spiegelt einen Trend wider, der Microsoft den Zugang zu einem der interessantesten IT-Märkte verbauen könnte.
Sieben Anbieter und kein Microsoft
Wie die Marktforscher von Gartner in einer Analyse berichten,
handelt es sich bei dem Auftrag um die Beschaffung von
Betriebssystem, Office-Software und Virenschutzanwendungen. Von den
sieben angetretenen Anbietern kommt Microsoft als einziger nicht zum
Zug.

Redflag-Linux statt Monopolkapitalisten
Als Betriebssystem wird die Linux-Distribution von Redflag Software dienen, einem Spin-off der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.
Der Auftrag zur Lieferung der Office-Automation-Software ging an das ebenfalls in China beheimatete Unternehmen Kingsoft.
Diese Entscheidung hat wohl weniger damit zu tun, was Gartner in der Analyse behutsam als "Schwierigkeiten, eine gute Beziehung zu pflegen" apostrophiert: dem nachvollziehbaren Widerwillen einer Volksrepublik gegen juristisch überführte Monopolkapitalisten.
WTO-Beitritt und Open-Source
Ein Grund für die chinesischen Affinität zu Open-Source-Software
dürfte der WTO-Beitritt Mitte Dezember letzten Jahres sein. Dieser
bewirkt unter anderem, dass die geschäftstüchtigen Chinesen nicht
länger ihrer Neigung frönen können, alles und jedes illegal zu
reproduzieren - von Nike-Turnschuhen und Rolex-Uhren über
Benetton-Zwirn bis zu Microsoft Windows.

Offizielles Lizenzieren zu teuer
Ein offizielles Lizenzieren der dem Vernehmen nach weit verbreiteten MS-Raubkopien allerdings käme China teuer zu stehen. Linux-Software "kann den chinesischen Unternehmen helfen, Kosten zu sparen", umschreibt Zhang Qui, ein hochrangiger MII-Beamter, vorsichtig diese Tatsache.
Deshalb werde die Regierung zukünftig vor allem die Entwicklung freier Software fördern. Es sei "ziemlich wahrscheinlich", dass China in Zukunft seine IT-Kerntechnologien selbst entwickle, präzisiert sein Vorgesetzter Xu Sungcheng.
In der Vorstandsetage in Redmond dürfte man solche Töne gar nicht gern hören - gilt China doch als der IT-Wachstumsmarkt der nächsten Dekade.
Über eine Milliarde Linuxer
IDC etwa veranschlagt in einer gerade veröffentlichten Prognose
für China ein jährliches Umsatzplus von 25 Prozent bis 2010. Falls
die Volksrepublik ihre Politik nicht ändert, bleiben Microsoft diese
Pfründe jedoch höchstwahrscheinlich verschlossen. Fast noch
ärgerlicher für Microsoft: Über eine Milliarde potentieller
Linux-Anwender würden die OS-Marktanteile deutlich zu Microsofts
Ungunsten verschieben.
