Ein "Piratennest" tritt der WTO bei
Mit dem formellen Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO am Dienstag gehen massive Bedenken bezüglich Raubkopien und Copyright-Verletzungen einher. Daneben werden aber auch Umwälzungen zu Ungunsten anderer asiatischer Länder im Bereich der Elektronikproduktion erwartet.
In China dürften derzeit 90 Prozent der verwendeten Software Raubkopien sein. Durch illegale Kopien aus China entstand Schätzungen von Experten zufolge allein der Software-Industrie im vergangenen Jahr ein Schaden von 1,3 Milliarden Euro, ein drastischer Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit 726 Millionen Euro.
Mit der Aufnahme in die WTO soll allerdings "die Luft für Fälscher dünner werden", da der Beitritt China auch dazu verpflichtet, härter gegen Raubkopierer und andere Copyright-Verletzungen vorzugehen.
Auch in anderen Bereichen bilden Raubkopien und Plagiate urheberrechtlich geschützter Waren die Basis für ganze Teile der Volkswirtschaft.

"Fälscher-Kultur"
Experte Peter Humphrey von PriceWaterhouse Coopers fürchtet unterdessen, Chinas WTO-Beitritt werde nicht viel ändern.
"Fälschen ist tief verwurzelt in der chinesischen Kultur, und die Jobs vieler Menschen hängen daran." Alle Bemühungen blieben erfolglos, solange Polizei und Justiz nicht dahinter stünden: "Man kann den Kampf gegen das Fälschen nicht gewinnen, ohne gleichzeitig die Korruption zur Strecke zu bringen."
In den vergangenen Monaten zeigte die Regierung allerdings schon eine härtere Gangart. Die Anstrengungen, Fälscher zu fassen und auch mit Haftstrafen zu belegen, hätten zugenommen, erkennt Humphrey an.
Erst vor zwei Monaten wurde das Markenrecht verschärft. Wie weit der Weg noch ist, zeigte indes eine Initiative Pekings: In wenigstens einem Bereich soll nun weniger illegale Software eingesetzt werden - bei den Regierungsbehörden.
Ebenfalls im Zusammenhang mit dem WTO-Beitritt des Landes steht die Ankündigung von vier großen chinesischen PC-Herstellern, die zusammen 60 Prozent aller chinesischen PCs produzieren, entgegen ihrer bisherigen Politik künftig Windows XP vorzuinstallieren

EU ist besorgt
Auch der europäische Handelskommissar Pascal Lamy ist besorgt über die Produktpiraterie in China.
Nach einem Treffen mit Regierungschef Zhu Rongji und Handelsminister Shi Guangsheng sagte Lamy vor zwei Wochen, der Schutz des geistigen Eigentums sei eine der wichtigsten Sorgen bei Chinas Mitgliedschaft in der WTO.
In diesem Bereich laufe auch der größte Teil der technischen Hilfe, welche die Europäische Union leiste.
Der Schutz der Urheberrechte erfordere Gesetzgebung, den Erlass von Vorschriften, die Überwachung, Durchsetzung und Klageverfahren. Der Leiter der zuständigen Arbeitsgruppe in der Europäischen Handelskammer in China, der deutsche Anwalt Ralph Vigo Koppitz, unterstrich, dass der Kampf gegen Produktpiraten wichtig für Chinas Unternehmen sei, die am meisten zu gewinnen oder zu verlieren hätten.

Heimische Hersteller profitieren
Unterdessen wird aber auch davon ausgegangen, dass bestimmte Branchen in China von dem WTO-Beitritt massiv profitieren.
So profitieren Elektronik-Hersteller vom Wegfall von Handelsbarrieren auf den Auslandsmärkten. Das dürfte vor allem auf Kosten asiatischer Nachbarstaaten gehen.
In den Telekommunikationsbranchen lockert China unterdessen die Möglichkeiten der Beteiligung von ausländischen Firmen.
Bei Internet-Providern wird der Anteil, den Auslandsfirmen an einem inländischen Unternehmen halten dürfen, von zunächst 30 Prozent binnen zwei Jahren auf 50 Prozent erhöht. Zudem werden geltende geografische Beschränkungen aufgehoben, die Auslandsfirmen nur den Zugang zu bestimmten Gebieten erlaubten.