Juristische Wildwestspiele im Internet
Der Streit zwischen Yahoo und zwei französischen Antirassismusgruppen um die Zugänglichkeit von Sites, auf denen Nazi-Devotionalien versteigert werden, für französische Surfer droht durch den Versuch Yahoos verschiedene nationale Rechtssysteme gegeneinander auszuspielen, zu einem Präzedenzfall zu werden, dessen Ausgang in keinem Fall zu begrüßen ist.
Wenn sich Yahoo mit seinem Versuch durchsetzt, das Urteil eines französischen Gerichts durch ein US-Urteil praktisch aufzuheben, bedeutet dies eine Stärkung der Unternehmensmacht im Netz, die sich schon in der Vergangenheit gerne US-Gerichten bediente, um finanzschwache Kontrahenten auszuschalten [Wie im Falle des Spielzeughändlers eToys.com und der Künstlergruppe ETOY.com].
Auf der anderen Seite würde ein Sieg der franzöischen Streiparteien nach der Internationalisierung des Streits noch nachhaltigere Auswirkungen auf den freien Informationsfluss im Netz haben als das französische Urteil allein.
ETOY.com vs eToys.com
Ein kalifornisches Gericht hatte vor rund einem Jahr bestimmt,
dass die internationale Künstlergruppe ETOY die Domain "etoy.com"
nicht mehr benutzen darf. Dabei benutzte ETOY seinen Namne länger
als der Spielzeughändler und hatte seine Domain im Oktober 1995
angemeldet, eToys erst im November 1997.

Die nächste Instanz
Yahoo wurde im November von einem französischen Gericht dazu verurteilt, innerhalb von drei Monaten seine US-Sites, auf denen NS-Devotionalien gehandelt werden für franzöische Surfer zu sperren.
Folgt das Unternehmen dieser Anweisung nicht, droht ihm eine tägliche Strafe von rund 15.000 Euro.
Da Yahoo in Frankreich keine Berufungsinstanz mehr offen steht, will das Unternehmen jetzt vor einem kalifornischen Gericht klären, ob das französische Urteil für ein US-Unternehmen überhaupt rechtsverbindlich ist.
Die französischen Kläger zeigten sich von diesem Versuch in einer ersten Reaktion allerdings unbeeindruckt. Sie werfen Yahoo ein arrogantes Verhalten vor, weil das Unternehmen offensichtlich das US-Gericht als "natürliche" höhere Instanz gegenüber dem französischen Gericht ansieht.

Verhärtete Fronten
Die französischen Kläger [Die Jüdische Studenten-Union in Frankreich [UEJF] und die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus [LICRA]] kündigten an, den Fall nötigenfalls auch vor US-Gerichten bis zum Ende durchzustehen.
Der Kölner Anwalt und Experte für Online-Recht, Jürgen Weinknecht, kommentierte die absurde Situation in dem Streit schon in November folgendermassen: "Das Internet ist das Gegenteil eines rechtsfreien Raums. Im Internet gilt das gesamte Recht der Welt gleichzeitig."
Demnach hat die Streitpartei mit dem längeren Atem, also im Zweifelsfall die mit den größeren finanziellen Resourcen, die besseren Chancen sich jeweils durchsetzen.
