Ringen um ein digitales EU-Recht
Nachdem vor zwei Wochen die Parlamentsabstimmung über die umstrittene EU-Richtlinie zu Softwarepatenten nach heftigen Protesten gegen die Regelung verschoben worden war, geschieht jetzt Ähnliches im Fall der "Intellectual Property Enforcement"-Direktive. Die entsprechende Abstimmung sollte eigentlich am Donnerstag stattfinden, wurde aber kurzfristig auf Anfang November verschoben.
Die Direktive, welche die unlängst in den Mitgliedsländern umgesetzte Copyright-Richtlinie ergänzen und erweitern soll, wird von Kritikern immer wieder mit dem besonders heftig umstrittenen Digital Millennium Copyright Act [DMCA] der USA verglichen.
Wenn dieser Vorschlag Realität werde, könnten die großen Content-Unternehmen unter Berufung auf "geistiges Eigentum" in die persönlichen Freiheiten des Lebensalltags ganz gewöhnlicher EU-Bürger eingreifen, meint etwas Andy Müller-Maguhn, Boardmember von European Digital Rights [EDRi].
Die Plattenindustrie, vertreten durch die IFPI, befürchtet andererseits, dass die Direktive im Vergleich mit "internationalen Standards" - womit der DMCA gemeint ist - zu kurz greift.
Laut EU-Kreisen soll die "Intellectual Property Enforcement"-Direktive schließlich die beste Balance zwischen bestehenden Regelungen in den Mitgliedsstaaten darstellen.
Paragraf neun des derzeitigen EU-Entwurfs gibt Eigentümern und Vermarktern von urheberrechtlich geschützten Inhalten weitgehende Auskunftsrechte vor allem über die Nutzer von Tauschbörsen [P2P]. Paragraf 21 wiederum stellt die Verbreitung von "illegalen technischen Hilfsmitteln" unter Strafe, die dazu geeignet sind, Kopierschutzmaßnahmen zu umgehen.

Bumerang
Die britische Non-Profit-Organisation Foundation for Information Policy Research [FIPR] gab unterdessen zu bedenken, dass sich die geplante Direktive sogar gegen die Interessen ihrer Unterstützer wie Microsoft und eBay auswirken könnte.
Demnach könnten dem Softwarekonzern bei Patentverletzung strafrechtliche Verfolgungen drohen, die sich sehr viel schwerer als bisher in Zivilverfahren üblich durch Vergleiche lösen ließen.
EBay könnten demnach Prozesse wegen Copyright-Verletzungen drohen, wenn eine CD "außerhalb ihres ursprünglichen Rechtsraums" verkauft würde, also zum Beispiel ein in den USA erworbener Tonträger später über das Auktionshaus nach Europa verkauft würde.
Für die FIPR ist unterdessen auch die letzte Copyright-Initiative der EU noch längst nicht "verdaut": Am Dienstag veröffentlichte sie den Bericht "Implementing the EU Copyright Directive", der die Folgen der Anpassung der Gesetze in den Mitgliedsstaaten untersucht.
"Diese neuen Gesetze berauben europäische Bürger ihrer Rechte. Sie sind im alleinigen Interesse von Hollywood und der Musikindustrie. Diese Gesetze müssen neu gefasst werden, damit sie die Eigentümer von CDs, DVDs und E-Books ebenso schützen wie die Medienkonzerne", schreibt Herausgeber Ian Brown, Direktor der FIPR.

Das digitale Recht
Mit der erneuten Verschiebung einer Abstimmung im EU-Parlament befinden sich derzeit zwei Initiativen in der Schwebe, die das digitale Recht in Europa maßgeblich definieren werden:
Neben der "Intellectual Property Enforcement"-Direktive wird auch heftig über die Richtlinie zu Softwarepatenten gerungen.
Gut 14 Tage, bevor die umstrittene EU-Direktive zu Softwarepatenten in die Plenardebatte des Europäischen Parlaments kommt, arbeitet die sozialdemokratische Fraktion "mit Hochdruck daran, so viele Entschärfungen wie möglich hineinzubringen", sagte Maria Berger, EU-Parlamentsabgeordnete der SPÖ, Anfang dieser Woche zur fuZo.
Die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament wird demnach dazu in Kürze einen Abänderungsantrag vorlegen.
