11.04.2005

EU-PARLAMENT

Hardwarehersteller für Softwarepatente

Der heiß umfehdete EU-Richtlinienentwurf zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" wird in den nächsten Wochen zur zweiten Lesung im Parlament erwartet.

Noch immer herrscht unter EU-Parlamentariern Rätselraten, wer so großen Druck auf die nationalen Minister und die EU-Kommission ausüben kann, dass nationale Parlamentsbeschlüsse und solche des EU-Parlaments gegen die Patentierbarkeit von Software einfach negiert werden.

Während die Kritiker der Richtlinie lautstark und öffentlich auftreten, meiden die Befürworter die Öffentlichkeit und agieren fast ausschließlich hinter den Kulissen.

Sie tun das mit der Macht ihres ökonomischen Gewichts, denn wenigstens in Deutschland kommt dieser Druck vor allem von der Autoindustrie und ihren Zulieferfirmen, dazu von Siemens und Infineon.

Druck kommt von Hardwareindustrie

Laut deutschem Patentamt liegt der Autozulieferer Robert Bosch GmbH mit 2.271 eingereichten Patenten vor Siemens mit 2.228, auf Platz drei liegt DaimlerChrysler mit 1.319 Anmeldungen, dahinter kommt Chiphersteller Infineon.

Auf europäischer Ebene liegt Siemens mit 3.892 angemeldeten deutschen und europäischen Patenten vor Bosch mit 3.587 Anmeldungen, gefolgt vom niederländischen Elektronikkonzern Philips [2.365].

Der große Druck kommt nämlich nicht von der eigentlichen Softwareindustrie, die in Europa viel zu schwach dazu wäre, und schon gar nicht von Microsoft, wie fälschlich oft angenommen wird.

Der Riese aus Redmond ist EU-weit im Unterschied zu Siemens und DaimlerChrysler keine Größe, die ganz oben politischen Druck erzeugen kann.

Den Druck erzeugen Europas Hardwarehersteller, die für ihre Produkte auch Software brauchen, wie eben die Autoindustrie.

Allen voran die Autoindustrie

Software spielt in der Marken- und Preispolitik der Auto-Großkonzerne mittlerweile eine entscheidende Rolle, der PS-Unterschied zwischen einzelnen Modellen wird elektronisch geregelt, während die Motoren mehr oder weniger baugleich sind.

Die Chips wiederum steuern kleine Programme, die im Fachjargon "Firmware" heißen, die mitpatentiert werden sollen.

Re-Engineering oder gar Hacks der Software würden die gesamte Marketing- und Preispolitik der Konzerne in Gefahr bringen - um davon abzuschrecken, braucht es eben ein Patent.

Angriffs- und Verteidigungswaffen

Von diesen Schwergewichten kommt der Druck auf die Politik, den Richtlinienentwurf ohne die geringste Änderung und gegen alle Widerstände durchzuziehen.

Das hauptsächliche Argument: Es muss in Europa möglich sein, Patente auf Software anzumelden, weil der US-Konkurrenz dieses Kampfmittel zur Verfügung steht.

Entgegen der ursprünglichen, den Patenten überhaupt zu Grunde liegenden Intention, Erfinder mit Prozenten zu belohnen, wenn sie ihre Erfindung anderen zur Verfügung stellen, sind Patente fast ausschließlich Mittel der Konzernpolitik.

Sie werden als Angriffs- und Verteidigungswaffen gegen die Konkurrenz benutzt.

Die meisten Patente von Großkonzernen

Was das viel zitierte Beispiel des genialen Einzelerfinders betrifft, der ja Patente brauche, um sich gegen jene wehren zu können, die seine Erfindung stehlen wollen, genügt es, den Präsidenten des deutschen Patentamts, Jürgen Schade, zu zitieren.

Sorge bereite dem Patentamt, sagte Schade zur dpa, dass sich der Löwenanteil der Anmeldungen bei den großen Unternehmen konzentriere.

Der Anteil von Mittelständlern, Kleinunternehmen und Einzelerfindern liege nur bei ungefähr zehn Prozent. Deshalb stelle sich die Frage, ob das Patentrecht zu wenig Rücksicht auf die besonderen Interessen kleiner und mittelständischer Industriebetriebe nimmt.

90 Prozent aller in Deutschland angemeldeten Patente stammen von wenigen, multinationalen Großkonzernen. Sie sind die Einzigen, die von einer Ausweitung des Patentrechts profitieren.