High-Noon im Libro-Poker
Das an Libro interessierte Konsortium um den YLine-Vorstandsvorsitzenden Werner Böhm und den steirischen Industriellen Ernst Hofmann hat heute den Libro-Lieferanten, die derzeit um ausständiges Geld für bereits getätigte Lieferungen verhandeln, ein besonderes Angebot gemacht.
Das Bieterkonsortium rund um Hofmann/Böhm bietet den Lieferanten "eine wesentliche Besserstellung", indem die Lieferanten "zu strategischen Aktionären gemacht werden", heißt es in dem Angebot.
Von den 50 Prozent der offenen Forderungen, auf die die Lieferanten im Schnitt laut Vereinbarung mit dem KSV verzichten, könnten insgesamt 60 Prozent [also 30 Prozent des Gesamtbetrages] in Libro-Aktien umgewandelt werden. Diese Aktien würden von den Konsortialpartnern an die Lieferanten abgegeben.
Vorausgesetzt, dass Libro tatsächlich saniert werde, würden die Lieferanten dadurch maximal 20 Prozent verlieren, heißt es weiter. Sollte die Aktie wieder zu alten Kursniveaus zurückfinden, könnten die Lieferanten "sogar Geld verdienen".

Funktionsmix
Das Übernahmeangebot der Gruppe um Böhm läuft morgen aus, heute um 17 Uhr soll es zwischen den Konsortialführern Böhm und Hofmann und dem Libro-Eigentümervertreter Thomas Scheiner ein erstes Gespräch geben.
Das Angebot der Gruppe um Böhm hat offziell "nichts mit YLine zu tun", denn Böhm hat das Angebot "aus Privatinteresse gelegt".
Interessanterweise wurde das aktuelle Angebot an die Lieferanten wiederum vom YLine-Pressesprecher Willi Berner bestätigt, der damit - wie schon am Freitag - die Privatgeschäfte seines Unternehmsvorsitzenden kommentierte.
Einbindung
Zielsetzung des Angebot an die Lieferanten ist es laut der Bietergruppe, "Libro im Zuge der notwendigen Sanierung eine breitere Aktionärsbasis zu verschaffen und die langfristigen Beziehungen zu den Lieferanten aufzubauen". Darüber hinaus sollen, so der Wortlaut des Angebots, auf diese Weise "sowohl die Arbeitsplätze bei Libro AG als auch bei den Lieferanten gesichert und Libro noch stärker in der österreichischen Wirtschaft verankert werden".
Unsicherheitfaktor Lion.cc
Der geplante Ausstieg der Westdeutsche Allgemeine Zeitung [WAZ] aus Lion.cc, dürfte unterdessen nicht so reibungslos über die Bühne gehen, wie geplant.
Die WAZ will ihren 35-prozentigen Anteil Libro zurück geben. Libro hingegen sieht sich dem Vernehmen nach nicht verpflichtet, die Anteile auch zurücknehmen zu müssen.
"Alles ist möglich", sagte auch WAZ-Geschäftsführer und Lion-Aufsichtsrat Bernd Nacke: Sowohl die völlige Übernahme, als auch der Totalausstieg bei Lion.cc ebenso wie die "Hereinnahme eines strategischen Partners bei gleicher Aufstellung".
Durch ihren Ausstieg würde sich die WAZ die weitere Finanzierung des kostenintensiven E-Commerce-Angebotes bei Lion.cc ersparen. Zu den 230 Millionen ATS, die bereits geflossen sind und die die WAZ einfach abschreiben würde, hätten weitere 270 Millionen ATS an Cash folgen sollen, sowie 500 Millionen ATS in Form von WAZ-Werbeleisten.In Branchenkreisen geht man allerdings davon aus, dass es im Vertrag zwischen Libro und WAZ Nebenabsprachen zu möglichen Ausstiegsszenarien gebe, die jetzt zu Streitereien führen könnten.

Ball liegt bei den Banken
Der Kreditschutzverband von 1870 [KSV], der eine Verbesserung für die rund 800 Lieferanten ausgehandelt hat fordert unterdessen von den involvierten Kreditinstituten ein "klares Signal" dafür, dass einen außergerichtliche Sanierung unter der Mitwirkung der Banken auch wirklich möglich sei, betonte Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner.
Die rund 100 Großlieferanten sollen nach derzeitigem Stand der Verhandlungen 50 Prozent nachlassen, die kleinen Lieferanten bis 1,5 Millionen ATS sollen voll befriedigt werden. Zu diesen Zahlungen könnten bei einer entsprechenden Entwicklung der Dinge noch die vom Konsortium um Böhm angebotenen Aktien kommen.
Eine Milliarde ATS gesucht
Von den knapp vier Milliarden ATS Verbindlichkeiten, die Libro angehäuft hat, entfallen 2,3 Milliarden ATS [unbesichert] auf Banken.
Selbst bei Forderungsnachlässen von rund 50 Prozent müsste in das Unternehmen frisches Geld von mehr als eine Milliarde ATS fließen. Davon entfallen rund 325 Millionen ATS auf Schließungskosten, 300 Millionen ATS auf Quotenzahlungen an die Lieferanten und etwa 400 Millionen ATS auf die Anschaffung von Ware.
Die Aktionäre haben eine Entscheidung über das weitere Schicksal der Firma bis Freitag angemahnt.
"Wenn wir Ende der Woche noch in der Suchphase sind, dann ist es zu spät", sagte am Montag der Verhandler für die Libro-Großaktionäre [Deutsche Beteiligungs AG,Unternehmens Invest AG [UIAG],Telekom Austria AG [TA]], der Anwalt Thomas Scheiner.