SWIFT: "Wurden nicht informiert"

23.07.2008

Von der Forderung nach Zugriff der EU-Innenminister auf Überweisungsdaten, die auch Maria Fekter [ÖVP] unterstützt, erfuhr die Weltzentrale für Finanzdatenverkehr aus den Medien. Michael Formann, designierter Leiter des neuen Österreichbüros von SWIFT, im Gespräch mit ORF.at.

"Wir wurden in keinster Weise angesprochen, sondern haben es aus den Medien erfahren. SWIFT hat also offiziell gar keine Kenntnis davon, dass es dieses Bestreben der Innenminister gibt, auf Daten aus unserem Netz zuzugreifen", sagte Michael Formann am Dienstag zu ORF.at.

Formann ist der designierte Country-Manager von SWIFT in Österreich, wo die internationale Zentrale für Finanzdatenaustausch noch in diesem Jahr ein Büro eröffnen wird.

SEPA, Fekter und Schäuble

Wie man den Medienberichten weiters entnommen habe, so Formann weiter, richte sich das Begehr der Innenminister auf die SEPA-Daten [Single Euro Payments Area].

Innenministerin Maria Fekter [ÖVP] begrüßte bei ihrem ersten Auftritt vor zwei Wochen einen Plan ihres deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble [CDU], der Zugriff auf die Überweisungsdaten des Bankendienstleisters SWIFT gefordert hatte.

Durchlaufposten BIC und IBAN

SEPA-Zahlungen nutzen einen SWIFT-Service namens FileAct, bei dem die Daten nur für den Zeitraum der Übermittlung gespeichert werden. Diese Daten stellen also einen Durchlaufposten dar, sie werden laut SWIFT nur übermittelt und nicht gespeichert.

SEPA ist ein einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum, in dem alle Zahlungen wie inländische Zahlungen behandelt werden. Im SEPA wird nicht mehr - wie derzeit - zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Zahlungen unterschieden.

Statt nationalen Bankleitzahlen und Kontonummern regieren nun die eureopweit einheitlichen Parameter BIC und IBAN.

"SEPA-Speicherung kontraproduktiv"

"Es wäre nachgerade kontraproduktiv, wenn wir diese Daten speichern und bereithalten müssten", sagte Formann.

Immerhin sei SWIFT dazu gegründet worden, um als ausführendes Organ für ISO-Standards im Finanzbereich Normen einzuführen und damit für alle Beteiligten Geld einzusparen.

Die Verfügungen der USA

Die nun geforderte Speicherung und Verwaltung der SEPA-Daten für die Innenminister müsste die Banken-Community, der die genossenschaftlich organisierte SWIFT gehört, bezahlen.

Alleine die durch die US-Verfügungen gegen SWIFT [siehe unten] notwendig gewordene Errichtung des neuen Datencenters in der Schweiz ist mit 150 Millionen Euro budgetiert.

Einsparungen annullieren

Der geplante Zugriff der Behörden würde die Kosteneinsparungen bei der Abwicklung von SEPA-Zahlungen durch SWIFT zumindest teilweise annullieren.

Zudem laufen längst nicht alle SEPA-Zahlungen über SWIFT, denn "es gibt keinen Exklusivitätsvertrag", SWIFT biete lediglich eine "Transportmöglichkeit für SEPA-Daten" an.

Bilaterale Vernetzungen

SWIFT bietet nämlich nicht die einzige Möglichkeit für die Banken, im Rahmen von SEPA Daten auszutauschen.

Die können nämlich ebenso über die seit Jahrzehnten bestehenden bilateralen Verbindungen zwischen den Banken ausgetauscht werden.

Besonders gilt das für international tätige Bankenkonzerne wie etwa die RZB, deren zahlreiche Töchter in Osteuropa natürlich nicht nur über SWIFT, sondern auch untereinander international vernetzt sind.

Begehrlichkeiten und die NSA

Was die Begehrlichkeiten der EU-Innenminister angeht, so folgen sie dem Vorbild der US-Geheimdienste, die sich seit 2001 aus dem Datenpool des belgischen Transaktionsspezialisten bedienen.

SWIFT musste unter dem Druck rein administrativer einstweiliger Verfügungen durch die US-Behörden seit 2001 jährlich geschätzte 20 Millionen Datensätze an die US-Geheimdienste liefern.

Es hatte nicht einmal ein Gerichts bedurft, um diese Datenübergabe durchzusetzen.

Zwischengeschaltete "Kontrollinstanz" war die Beraterfirma Booz, Allen, Hamilton, deren auf Finanzdaten spezialisierter damaliger Vizepräsident Mike McConnell war davor Direktor des Supergeheimdienstes NSA.

SEPA und FIN

Dabei handelt es sich nicht um Daten im Rahmen des neuen SEPA, sondern um solche im Rahmen des weit älteren FIN-Standards - Überweisungen aber auch auch Abwicklungen von Wertpapiergeschäften - die etwa wegen möglichen Reklamationen 124 Tage lang gespeichert werden müssen.

Der Zugriff der US-Behörden war nur deshalb möglich, weil eines der SWIFT-Datencenter auf US-Boden steht.

Regeln des "Data-Warehousing"

Dort landen auch alle Daten aus Europa, denn nach den Regeln des internationalen "Data-Warehousing" werden sämtliche Datensätze an drei verschiedenen, voneinander weit entfernten Orten gespeichert.

Das geschieht, um das weltweite Zahlungssystem auch im Fallevon Naturkatastrophen und Terroranschlägen funktionsfähig zu erhalten.

"US-Anfragen ins Leere laufen lassen"

Im Laufe des Jahres 2009 werden sämtliche Datensätze, die nichts mit den USA zu tun haben, auch nicht mehr dorthin übermittelt, sondern verbleiben in Europa.

Im September 2007 hatte SWIFT nämlich angekündigt, neben dem holländischen ein weiteres Datenzentrum in der Schweiz zu errichten.

"Die Abkopplung"

Diese "Abkopplung von den USA wurde von der europäischen Finanzindustrie gewünscht, um diese Anfragen ins Leere laufen zu lassen" sagte Formann zu ORF.at.

Die Komplexität dieser auf 150 Millionen projektierten Umstellung sei zwar "gigantisch", dennoch sei man optimistisch, das im genannten Zeitraum zustande zu bekommen.

SWIFT prozessiert mittlerweile 15 Millionen Datensätze von Finanztransaktionen pro Tag.

Die Premiere in Österreich

Was Österreich angeht, so wird Wien Mitte September erstmals Tagungsort für die Topmanager von 8.500 an SWIFT angeschlossene Banken aus aller Welt sein.

Irgendwann danach wird die Niederlassung in Österreich eröffnet mit dem Ziel, das Geschäft in den umliegenden Staaten Tschechien, Ungarn Kroatien, Slowenien und der Slowakei auszubauen.

Die innenministerielle Parallele

Diese Gruppe von Ländern ist großteils identisch mit dem "Forum Salzburg", einer "Sicherheitspartnerschaft" von mitteleuropäischen Innenministern, die auf eine österreichische Initiative zurückgeht.

In deren Rahmen hatte Innenministerin Maria Fekter am 6. Juli den Vorstoß ihres Kollegen Wolfgang Schäuble für Zugriff auf die von SWIFT verarbeiteten, aber nicht gespeicherten Daten, unterstützt.

(futurezone | Erich Moechel)