Wikipedia verschärft Nutzungsregeln
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia hat in nur vier Jahren den Globus erobert: Weltweit bringt es Wikipedia in rund 200 Sprachen auf mehr als zwei Millionen Einträge. Jeder Internet-Nutzer kann sein Wissen in das Nachschlagewerk einfließen lassen, eine Grundlage, die immer häufiger kritisiert wird.
Auf Grund eines jüngst bekannt gewordenen Falles von "Rufmord" in einer Online-Biografie hat Wikipedia-Gründer Wales nun die Konsequenzen gezogen und das Regelwerk geändert. Ab sofort dürfen neue Artikel in der englischen Version nur noch von registrierten Nutzern angelegt werden, bestehende Artikel können jedoch ohne Log-in verändert werden.
US-Journalist beklagt Rufmord
Losgetreten wurde die Lawine vom US-Journalisten John Seigenthaler senior, der in seiner Biografie auf Wikipedia schwere Fehler fand und diese in "USA Today" ankreidete. So wurde der 78-Jährige in dem Dokument unter anderem als Mordverdächtiger von US-Präsidenten John F. Kennedy und dessen Bruder Robert hingestellt.
Wales gegen Log-in-Pflicht
Für Wales, der stets maximale Offenheit für sein Projekt
gepredigt und vor zu hohen Sicherheitsvorkehrungen gewarnt hat,
dürfte die Regeländerung schmerzlich sein.
Wales im Gespräch mit futurezone.ORF.atNeutralität als Knackpunkt
In einem zweiten Fall, der vergangene Woche bekannt wurde, geht es um das Editieren von Wikipedia-Einträgen. Wie bekannt wurde, hatte Adam Curry, Podcasting-Pionier und ehemaliger MTV-Moderator, in einem Wikipedia-Artikel zum Thema Podcasting ganze Absätze anderer Personen gelöscht.
Darin ging es etwa um eine technologische Neuerung eines Technorati-Entwicklers, die sich Curry zufolge aber nie durchgesetzt hätte [was jedoch eine falsche Annahme war].
Curry, der in vielen Weblogs für seinen Eingriff kritisiert wurde, hat sich mittlerweile zwar entschuldigt, beharrt aber auf dem Recht, Wikipedia nach seinem Standpunkt zu verändern.
"Wikipedia sieht sich global in erster Linie der Neutralität verpflichtet", sagte Wales bei einem Kongress im August. Aus diesem Grund gibt es in der Wikipedia-Szene auch immer öfter die Forderung, dass Nutzer nicht in Artikel über sich selber oder Projekte, in die sie involviert sind, eingreifen dürfen.
Freiwillige Administratoren begeben sich alltäglich auf die Suche nach Fehlern in den Einträgen. In Deutschland gibt es um die 160 Administratoren, die Einträge aus dem Web entfernen können. Laut Wales würden Fehler auf diesem Weg meist innerhalb von Minuten aufgespürt.
Online-Nachschlagewerk Wikipedia boomtWikipedia als Publikumsjoker
Meist sind es aber genau diese Leute, die das fundierteste Wissen in die Enzyklopädie einbringen. Solche "Experten" aus dem Projekt auszuschließen bedeutet also eine Zwickmühle.
Kritiker weisen immer wieder darauf hin, dass Wikipedia auf Grund seiner Offenheit kein verlässliches Wissen bieten kann. Die "freie Enzyklopädie" sei weniger ein Nachschlagewerk, vielmehr ein "Vorschlagewerk" und mit dem Publikumsjoker bei der Millionenshow zu vergleichen.
Auch wenn es immer wieder schwarze Schafe geben wird, die mutwillig falsche Informationen einfließen lassen, bleibt Wikipedia-Vater Wales dennoch optimistisch: "Wir nahmen beim Start ganz einfach an, dass ganz viele gut sind und nur ganz wenige schlecht, und offenbar hat sich diese Einschätzung als richtig erwiesen."
