Softwarepatente - die Entscheidung naht
Am Dienstag kommt der umstrittene Richtlinienentwurf zur Patentierbarkeit computergestützter Erfindungen - alias Softwarepatente [SWPAT] - in zweiter Lesung in das EU-Parlament.
Die nahezu unveränderte Ratsposition, die schon einmal mit großer Mehrheit im Parlament abgelehnt wurde, wird von Mehrheiten in der Konservativen und der Liberalen Fraktion unterstützt. Sie ist in etwa so auf den Punkt zu bringen: Patente auf Software - das ist bestehende Rechtspraxis - werden zwar prinzipiell abgelehnt, die Richtlinie enthält jedoch eine Anzahl von Ausnahmen, unter denen die Patentierbarkeit von Software doch wieder zulässig und möglich ist.
Genau dagegen richten sich die 21 Abänderungsanträge, die von Sozialdemokraten und Grünen unterstützt werden. Aber nicht nur: Je 37 Abgeordnete des konservativen Blocks sowie der Liberalen haben ebenfalls ihre Unterstützung für die 21 Abänderungen eingebracht. Wie viele Abgeordnete beider Fraktionenen noch dahinterstehen, ist die Frage, welche die Abstimmung am Mittwoch spannend macht.

Wessen Interessen betroffen sind
Verlangt werden diese Änderungen EU-weit von nationalen Wirtschaftskammern, Verbände unabhängiger Programmierer, den weltweiten Open-Source Communities [Linux etc.] und einer großen Zahl kleiner bis mittlerer Softwarefirmen - so genannte KMUs, die für den Softwaremarkt Europas wie auch den Österreichs typisch sind.
Patente auf Software würden diesen Unternehmen schwere Nachteile einbringen, da bis jetzt unabhängige Innovationen dann nur noch unter der Lizenz-Ägide marktbeherrschenden Unternehmen möglich sind.
Dagegen stehen die Interessen von Siemens, Philips, Nokia, DaimlerChrysler und anderen europäischen Hardware-Riesen, die vom Umsatz her den europäischen Software-Markt dominieren.
Durch die Mitpatentierbarkeit von Software wollen diese Hersteller die Dominanz über ihre Produkte - auch nachdem diese ein Kunde käuflich erworben hat - weiter fortschreiben.
Den Eigentümern von Handys, Autos und Waschmaschinen wird jeglicher Eingriff in das Gerät verboten, der nicht vom Hersteller abgesegnet ist.

Am Beispiel Nokia-Handys
Worum es bei den Softwarepatenten wirklich geht, mag dieses Beispiel illustrieren. Wie aus dem EU-Parlament zu hören war, hat sich vor allem Nokia gegen einen Änderungspassus, der Herstellung von Interoperabilität mit anderen Geräten [und deren Software] nicht als "Verletzung des Patentrechts" wertet, mit allen Mitteln gewehrt.
Nokia dominiert mit seiner Series-60 Software-Plattform den weltweiten Handymarkt haushoch. LG Electronics, Lenovo, Panasonic, Samsung, Sendo und Siemens entwickeln Software für ihre Handys auf dieser Plattform - gegen Lizenzgebühren auf Nokia-Patente.
Nokia allein hat 25 Millionen Smartphones mit Software der Series 60 mit Ende Mai 2005 ausgeliefert. Damit ist wohl klar, dass Interoperabilität mit Smartphones anderer Hersteller - auch wenn die vom Käufer gewünscht wird - bei solcher Marktdominanz in der Prioritätenliste Nokias nicht sehr weit oben steht.