Rekordstrafe gegen Microsoft
Nach fünf Jahren Untersuchung hat die EU-Kommission heute gegen den US-Softwarekonzern Microsoft die bis dato höchste Kartellstrafe ausgesprochen.
Der weltgrößte Softwarekonzern habe sein Quasi-Monopol beim Betriebssystem Windows für PCs ausgenutzt und damit EU-Wettbewerbsrecht verletzt, entschied die Kommission nach eigenen Angaben.
Neben einem Bußgeld von 497 Millionen Euro will die Brüsseler Behörde von dem Konzern vor allem Änderungen bei seinen Geschäftspraktiken. Brüssel gibt dem Konzern 90 Tage Zeit, Computerherstellern auch eine Windows-Version anzubieten, die nicht mit dem Media Player zum Abspielen von Multimedia-Dateien gekoppelt ist. Damit sollten Konkurrenten wie Apple bessere Marktchancen bekommen.
Zudem hat Microsoft 120 Tage Zeit, bei Betriebssystemen für Server technische Angaben zu den Schnittstellen offen zu legen. Das soll für mehr Wettbewerb sorgen.
In einem ersten Statement ortet Microsoft nach dem Urteil Nachteile für die Verbraucher.
"Wir glauben, der vorgeschlagene Vergleich wäre für die europäischen Verbraucher besser gewesen", sagte ein Microsoft-Sprecher heute.
Jahrelanger Rechtsstreit erwartet
Wettbewerbskommissar Mario Monti hatte bereits vergangene Woche
deutlich gemacht, dass damit ein Präzedenzfall geschaffen werden
solle, um ein deutliches Zeichen zum Schutz von Wettbewerb und
Verbrauchern zu setzen. Die unmittelbaren Auswirkungen der
Kommissionsentscheidung werden sich zunächst aber wohl in Grenzen
halten, weil Microsoft dagegen vor Gericht ziehen dürfte. Der
Rechtsstreit dürfte sich über Jahre hinziehen.

Kein Pardon
Wie der Chefjustiziar des US-Konzern, Brad Smith, am Mittwoch in einer Telefonkonferenz sagte, wird Microsoft dabei verlangen, dass die Entscheidung zur Entkoppelung des Media Players vom Betriebssystem Windows während des Rechtsstreits nicht umgesetzt werden muss.
Er erwartet, dass sich aufgrund der Berufungen der Rechtsstreit noch "vier bis fünf Jahre" hinziehen wird. Derzeit aber würden keine Gespräche mit der EU geführt.
Mit dem Beschluss der EU-Wettbewerbshüter, der in wesentlichen Teilen vorab bekannt wurde, werden bei Microsoft bereits das zweite Mal offiziell Verstöße gegen Kartellrecht festgestellt. Ein US-Berufungsgericht hatte diesen Vorwurf im Jahr 2001 in letzter Instanz bestätigt. In den USA hatte sich das Justizministerium schließlich mit dem Unternehmen auf einen Vergleich geeinigt. Kritiker bemängeln dort, dass die Auflagen für Microsoft den Wettbewerb nicht wesentlich gestärkt haben.
Schon einen Tag vor dem offiziellen EU-Strafbeschluss meldete sich das betroffene Unternehmen zu Wort. Das ist in Brüsseler Wettbewerbsfällen äußert selten. Angesichts fehlender rechtlicher Maßstäbe bei den strittigen Punkten sei es "sehr schwer nachzuvollziehen, wie ein Bußgeld dieser Größenordnung unter den gegebenen Umständen gerechtfertigt werden kann", so der Konzern.
Microsoft ist der wohl spektakulärste Fall in Montis Amtszeit, die Ende Oktober nach fünf Jahren enden wird. Anders als die US-Wettbewerbshüter ist er entschlossen, einen Entscheid mit Beispielcharakter zu hinterlassen. Viel wichtiger als die Strafsumme, die für Microsoft relativ leicht zu verkraften ist, sind dabei die Wettbewerbsauflagen für den von Bill Gates mitgegründeten Konzern. Die gefürchteten EU-Wettbewerbshüter mischen sich damit direkt in die Geschäftspraktiken des Unternehmens ein.

Keine politischen Interventionen
Bei dem Windows Media Player und bei Betriebssystemen für Server lautet Montis Devise "Öffnung". Der Kommissar will sicherstellen, dass Konkurrenten von Microsoft in diesen Bereichen verstärkt zum Zuge kommen können. Sie sind seit Jahren in Brüssel präsent. Das im Jahr 2000 eröffnete Marktmissbrauchsverfahren der Kommission wegen vermuteter Ausweitung der dominanten Stellung bei PC-Betriebssystemen war durch eine zwei Jahre zuvor eingelegte Beschwerde des US-Unternehmens Sun Microsystems ins Rollen gekommen.
Microsoft versuchte in den vergangenen Monaten, mit einer Art "Gentlemen's Agreement" einen offiziellen Strafbeschluss Brüssels abzuwenden. Dreitätige Marathonverhandlungen zwischen dem kühlen Monti und dem kantig wirkenden Konzernchef Steve Ballmer endeten in der vergangenen Woche zwar mit gegenseitiger persönlicher Anerkennung, aber ohne Ergebnis. Anders als bei der von Monti vor drei Jahren verbotenen Fusion der US-Konzerne General Electric und Honeywell wurde nichts von politischen Interventionen bekannt.
Damals hatte sich US-Präsident George W. Bush persönlich eingeschaltet, um den Zusammenschluss noch zu retten. Der Fall GE/Honeywell liegt nun beim Luxemburger EU-Gericht.