Eine letzte Chance für Microsoft
Am Mittwoch beginnen die Anhörungen der EU-Kommission zu mutmaßlichen Kartellverstößen durch Microsoft.
Dazu treffen sich Vertreter der EU, des Konzerns und seiner Konkurrenten zu dreitägigen Beratungen hinter verschlossenen Türen.
Laut Kommissionskreisen muss Microsoft dabei "besonders überzeugende Argumente" vorbringen, um das Verfahren und eine eventuell empfindliche Geldstrafe noch abzuwenden.
Die EU untersucht bereits seit vier Jahren die Geschäftspraktiken des Konzerns. Die Kommission kritisiert unter anderem, dass Microsoft sein Medienprogramm Media Player nur als Teil des Betriebssystems Windows ausliefert. Außerdem soll MS eine marktbeherrschende Stellung bei Betriebssystemen für Desktop-PCs mit rechtswidrigen Mitteln auf Server in Firmennetzen ausgeweitet haben. Seit kurzem wird zudem auch die Lizenzpolitik des Konzerns untersucht.

Transatlantische Politik
Microsoft ist unterdessen im Streit mit der EU-Kommission zur Zusammenarbeit mit der Brüsseler Behörde bereit: "Microsoft ist auch weiterhin bestrebt, eine konstruktive Lösung in diesem Fall zu finden", erklärte der Konzern am Montag.
Zugleich wies Microsoft aber den Vorwurf zurück, es habe die Möglichkeiten von Wettbewerbern eingeschränkt.
Nach Angaben aus US-Kreisen sucht der Konzern in der Auseinandersetzung auch die Unterstützung von US-Senatoren. Microsoft-Lobbyisten seien in der Sache an Mitglieder des Justizausschusses des Senats herangetreten, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters Ende Oktober aus Senatskreisen in Washington.
"Sie glauben, dass das Vorgehen der Europäischen Union ungewöhnlich und falsch ist, und sie wollen, dass so viel Druck wie möglich auf [EU-Wettbewerbskommissar Mario, Anm.] Monti ausgeübt wird", hieß es.

Milliardenstrafe droht
Microsoft drohen in dem Kartellstreit angeblich außerordentlich empfindliche Strafen. Wie das "Wall Street Journal" ["WSJ"] unter Berufung auf eine vertrauliche Erklärung der EU-Kommission berichtete, könnte der Konzern zu hohen Geldstrafen und tief greifenden Änderungen bei seinem Geschäftsgebaren gezwungen werden.
Dem Zeitungsbericht zufolge wurde die Erklärung der Kommission im August an die Parteien im Kartellverfahren übergeben. Darin habe die Kommission angekündigt, im Falle einer Verurteilung "alle relevanten Umstände, insbesondere die Schwere und Dauer der Verstöße", bei der Festlegung des Strafmaßes zu berücksichtigen.
Dazu gehöre "die Tatsache, dass Microsoft nicht im vollen Maß mit der Kommission kooperiert hat, was durch die Tatsache belegt wird, dass es die Kommission mit irreführenden und unvollständigen Informationen versorgt hat".
Die EU könne eine Strafzahlung von bis zu 3,2 Mrd. USD [2,78 Mrd. Euro] verhängen, hieß es. Die Kommission hat jedoch noch nie einen derartig hohen Betrag gefordert.
Im US-Streit hatte Microsoft im November 2001 mit der US-Regierung einen Vergleich geschlossen, dem sich fast alle der ebenfalls klagenden Bundesstaaten angeschlossen haben.

Neuer Verdacht
Wettbewerbskommissar Mario Monti hat laut einem Bericht der "Financial Times Deutschland" ["FTD"] zudem eine Beschwerde der Industrievereinigung CCIA gegen die neuste Version des Microsoft-Betriebssystems Windows, Windows XP, aufgegriffen.
Auch hier werde dem Verdacht nachgegangen, dass der Konzern seine Produkte bündle, um Wettbewerber zu verdrängen, hieß es unter Berufung auf informierte Kreise.
Die CCIA wird von Microsoft-Konkurrenten dominiert. Microsoft hatte die Vorwürfe als veraltet zurückgewiesen.