Die Tücken des EU-weiten E-Commerce

09.02.2007

Die EU will den Verbraucherschutz in den einzelnen EU-Staaten harmonisieren. Dazu werden insgesamt acht Richtlinien, darunter die Fernabsatzrichtlinie, überprüft. Sowohl die Wirtschaft als auch das Verbraucherschutzministerium fürchten dabei um ihre Standards.

Überraschend hat die EU-Kommission am Mittwoch das "Grünbuch zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz" vorgelegt.

Hinter dem komplizierten Namen versteckt sich ein Vorschlag zur Harmonisierung der in den mittlerweile 27 EU-Staaten teils doch sehr unterschiedlichen Konsumentenrechte, die selber teilweise auf älteren und überholungsbedürftigen EU-Richtlinien beruhen.

Anpassung an Internet-Zeitalter

Überprüft werden soll dabei auch die Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, kurz: die Konsumentenrechte beim Handel über das Internet.

Ein Fleckerlteppich unterschiedlicher Regeln in den einzelnen EU-Ländern mache es Verbrauchern und Unternehmen schwer, ins Internet-Geschäft einzusteigen, so die Kommission.

Die zuständige Kommissarin Maglena Kuneva meinte bei der Vorstellung, der Binnemarkt könne ohne Verbraucherschutz gar nicht bestehen. Das gelte für das Einkaufen im Internet erst recht: "Bisher sind nur sechs Prozent der Käufe grenzüberschreitend."

Unterschiedliche Auslegungen

Wie bei der Umsetzung der Copyright-Richtlinie wurde die Fernabsatzrichtlinie in den jeweiligen Staaten in nationales Recht umgewandelt, allerdings mit recht unterschiedlichen Auslegungen und Auswirkungen.

So gibt es in Deutschland die Rügepflicht, also die Pflicht, eine Ware sofort bei Eingang zu überprüfen, um etwaige Mängel möglichst schnell melden zu können.

Scharfe Regeln könnten fallen

In Österreich gibt es diese nicht, sagt Tamara Gabriel vom Konsumentenschutzministerium, allerdings sei sie nun im Grünbuch enthalten. Würde diese auch in Österreich umgesetzt werden, würden heimische Konsumenten somit schlechter aussteigen.

Da es sich bei den aktuellen EU-Verbraucherschutzregeln um Mindeststandards handelt, konnten die EU-Länder nach Belieben striktere Vorgaben draufsetzen.

Mit rund drei Millionen Kunden ist Online-Banking laut dem heimischen Datenschutzrat der bisher erfolgreichste E-Commerce-Dienst in Österreich.

Konsultationsphase eingeleitet

Prinzipiell ist das Ministerium für eine Harmonisierung, auch um, wie von der Kommission bei der Vorstellung des Grünbuchs angeführt, den E-Commerce innerhalb der EU zu vereinfachen. Dabei dürfe der bisher erreichte Standard aber nicht nach unten sinken, warnt Gabriel.

Mit der Vorlage des Grünbuchs ist vorerst einmal die dreimonatige Konsultationsphase eingeleitet worden. Im Moment steht noch nicht einmal fest, ob das Ganze am Ende in einer neuen, gemeinsamen Richtlinie münden soll und auf welchen Umsetzungsmodus die Staaten sich einigen wollen.

Entsprechend vorsichtig ist auch die Wirtschaftskammer Österreich [WKÖ] mit einer ersten Beurteilung des Vorschlags.

Die Konsultationsphase dauert drei Monate. In dieser Zeit trifft sich die Kommission mit den verschiedenen Gruppen, die bei der Richtlinie mitreden wollen: Von Konsumentenschutzorganisation, über Frauenvereine, Seniorenvertreter bis hin zu Wirtschafst- und Politikvertretern.

"Vollharmonisierung mit Augenmaß"

Gerhard Laga sieht den Vorstoß ansich positiv und will naturgemäß ebenfalls das Vertrauen in den Online-Handel steigern, hält aber als Vertreter der Wirtschaft entgegen, dass zuviel Reglementierung mehr schaden als nützen würde.

Auch gebe es bei der Umsetzung schlicht handfeste Probleme: "Wenn ein siebentägiges Rückgabrecht EU-weit beschlossen wird, wie handhaben sie dann die unterschiedliche Feiertagsregelung in den einzelnen Staaten?"

Unterschiedliche Rechtslagen

Laga spricht damit auch das Problem der unterschiedlichen Rechtslagen in den einzelnen EU-Staaten an, die ein Händler, der seine Waren EU-weit anbieten will, nötigenfalls auch kennen müsste.

"Eine Vollharmonisierung mit Augenmaß ist sinnvoll", so Laga abschließend, es gebe mittlerweile auch in Österreich Auswüchse.

Besonders stark sind diese in Deutschland, wo Abmahnungen ja mittlerweile fast auf der Tagesordnung stehen. Der Deutsche Industrie- und Handelstag [DIHK] und der Bundesverband der Deutschen Industrie [BDI] waren die ersten die sich gegen den jetzigen Vorschlag ausgesprochen haben.

Vorschlag sehr wirtschaftsfreundlich

Gabriel ist da etwas vorsichtiger, auch wenn sie eine Harmonisierung ebenfalls prinzipiell begrüßt. Der derzeitige Vorschlag sei allerdings sehr wirtschaftsfreundlich, bei einer Harmonisierung auf einem niedrigeren Niveau müsse es einen Kompromiss geben.

Ländern mit einem starken Konsumentenschutz müssten dann zurückstecken. "Gerade im Falle der Rügepflicht gäbe es für uns eine Schlechterstellung", so Gabriel.

Vorerst allerdings müsse man die Konsultationsphase abwarten, dann sei auch klar, wie und ob das Grünbuch die nächsten Phasen [Weißbuch, Vorschlag, Richtlinie] durchlaufen werde.

Abseits wird das "Green Paper on the Review of the Consumer Acquis" laut Gabriel und Laga auch im EU-Parlament behandelt. Laut ungenannten Quellen dürfte der jetzige Vorstoß der Kommission auf Druck des EU-Parlaments erfolgt sein.

(futurezone | Nadja Igler | dpa | AFP)