"Adonis" droht Neuausschreibung
Der Errichtungs- und Betreibervertrag für das digitale Behördenfunknetz "Adonis" des Innenministeriums mit dem Konsortium master-talk soll laut einschlägigen Kreisen kurz vor der Auflösung stehen.
Vom Innenministerium wird inzwischen nur bestätigt, dass Anfang bis Mitte kommender Woche eine Entscheidung fallen soll.
Der von Siemens geführten master-talk wird "Untätigkeit" vorgeworfen, das gewählte System habe sich technologisch als unzureichend erwiesen.
Strasser soll "die Reißleine ziehen"
Das Innenministerium hatte schon im Mai in einem Schreiben
schwere Versäumnisse kritisiert und Besserungsvorschläge
eingefordert. Trotz mehrfacher Urgenzen seien diese Vorschläge
unterblieben. Innenminister Ernst Strasser [ÖVP] soll deshalb jetzt
endgültig "die Reißleine ziehen".

"Mitarbeiter hochgradig unprofessionell"
Das Innenministerium hat in dem zitierten Schreiben an die Master-talk-Geschäftsführung darauf hingewiesen, dass nach nicht einmal einjähriger Projektdauer eine derartige Zeitverzögerung nicht tolerierbar sei.
Master-talk habe noch immer keinen vertragsgemäßen Projektplan ausgearbeitet, und es gebe keine bzw. ungenügende Abstimmung mit dem Ministerium.
Ebenso wird auf unzureichendes Projektmanagement hingewiesen. Es wird auch festgestellt, "dass Ihre Mitarbeiter hochgradig unprofessionell bei der Prüfung bzw. Akquisition [von Funkstandorten] vorgehen". Eine vertragliche Erfüllungsgarantie sei trotz [achtmaliger] Urgenz nicht vorgelegt worden.
Aus Insiderkreisen heißt es, dass Siemens mit dem Auftrag "technologisch überfordert" sei.
Das beauftragte Konsortium
Siemens hält an master-talk ebenso wie die Wiener Stadtwerke
einen Kommanditanteil von rund 32,4 Prozent, die Verbund Telekom
zehn Prozent und 25,1 Prozent eine zum Raiffeisen-Bereich gehörende
Capreolus Beteiligungs GmbH mit Sitz in Wien.

Verzögerung von mehreren Monaten
Aller Voraussicht nach muss das Projekt neu ausgeschrieben werden, was eine Verzögerung um mehrere Monate bedeuten würde.
Das "Adonis"-Netz [Auftragswert 280 Mio. Euro] sollte in der ersten Ausbaustufe bereits seit März 2003 in Betrieb sein. Der Vollausbau war bis 2005 vorgesehen.
Einsatzorganisationen wie Polizei, Gendarmerie, Feuerwehr und Militär sollen via Adonis im Einsatzfall effizienter miteinander kommunizieren können. Bei Großkatastrophen wie dem Jahrhundert-Hochwasser, dem Kaprun-Brand oder der Galtür-Lawine haben sich die bestehenden analogen Handy- und Funksysteme als unzureichend erwiesen.
Projektübergabe an Motorola nicht möglich
Der Versuch, eine Neuausschreibung zu vermeiden, indem eine
freihändige Vergabe an den im Vorjahr unterlegenen Mitbieter
Motorola zusammen mit Telekom Austria und der Investkredit überlegt
wurde, lässt sich offenbar nicht realisieren.

Finanzierung über Endgeräte droht zu scheitern
Laut noch bestehendem Vertrag trägt master-talk die Investitionen und sollte sich über den Verkauf der Endgeräte [Stückpreis 1.000 Euro] refinanzieren.
Langfristig sollten rund 80.000 Einsatzleute das System nutzen, und master-talk wollte zusätzlich 40.000 Private dafür gewinnen. Von diesen Plänen ist heute keine Rede mehr.
Trotz des reduzierten Endgerätepreises habe man unter den Blaulichtorganisationen keine Vertragspartner gefunden, und es sei damit zu rechnen, dass master-talk spätestens Anfang September die Finanzierung ausgehen wird.