
SWIFT: EU-Parlament zeigt Muskeln
Der seit Dezember schwelende und am Dienstag offen ausgebrochene Machtkampf zwischen dem EU-Parlament und dem Ministerrat könnte zur Folge haben, dass das umstrittene Interimsabkommen zur Weitergabe von SWIFT-Finanzdaten an die USA gerade einmal neun Tage in Kraft sein wird.
Seit Unterzeichnung des Lissabon-Vertrags verfügt das EU-Parlament nicht nur über ein Mitsprache-, sondern auch über ein Vetorecht in derartigen Fragen. Hatten unter den Parlamentariern bisher die Stimmen überwogen, die vor einem dadurch heraufbeschworenen vertragslosen Zustand warnten, so sind mittlerweile ganz andere Töne zu vernehmen.
Streit über Übersetzungen
Am Dienstag hatte ein Vertreter der spanischen Ratspräsidentschaft noch Öl ins Feuer gegossen, als er ohne den vom Parlament ultimativ geforderten Text des Vertragswerks vor den Abgeordneten erschien. Auf seine Erklärung, der Text liege leider noch nicht in den Übersetzungen vor, hielt ihm eine deutsche Abgeordnete sichtlich empört den deutschsprachigen Abkommenstext unter die Nase.
Solange der Text des Abkommens, das der Ministerrat noch alleine verhandelt und wenige Stunden vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ebenso im Alleingang verabschiedet hatte, nicht formell an das Parlament übergeben ist, kann dort auch keine Debatte zum Thema angesetzt werden.
Sondersitzung abgesagt
Vor dem Inkrafttreten des Abkommens am 1. Februar ist eine solche auch nicht mehr möglich, zumal die für die nächsten Wochen eingeplanten Sondersitzungen des Parlaments mittlerweile abgesagt wurden. Der Grund: Die neue EU-Kommission, die in dieser Sondersitzung verabschiedet hätte werden sollen, ist bekanntlich noch nicht vollständig.
Das nächste reguläre Plenum des Parlaments findet erst am 10. Februar statt. Anlässlich dieser Sitzung könnten die Abgeordneten das Abkommen neun Tage nach Inkrafttreten wieder annullieren.
Eklat am Mittwoch
Das EU-Parlament hat im Konflikt mit dem Ministerrat um das SWIFT-Interimsabkommen über den Finanzdatenaustausch mit den USA am Mittwoch erstmals seine Muskeln spielen lassen. Parlamentspräsident Jerzy Buzek drohte in einem Schreiben an die Ratspräsidentschaft mit künftigen Vetos, wenn der Ministerrat dem Parlament nicht umgehend den Vertragsentwurf vorlege.
Ausgang "wahrscheinlich negativ"
Der Vizefraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Othmar Karas, hält die "Wahrscheinlichkeit für groß", dass die Abstimmung über das SWIFT-Abkommen negativ ausgehe. Bis zur Ausverhandlung einer endgültigen Vereinbarung Ende Oktober 2010 würde das bilaterale Übereinkommen zwischen Belgien (Sitz der SWIFT-Zentrale) und den USA gelten.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, erklärte der APA, bei einem negativen Votum des EU-Parlaments zu SWIFT würde das Abkommen "nachträglich außer Kraft gesetzt werden".
Wut auf den Rat
Jedenfalls werde EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek den Europäischen Rat auffordern, die vorläufige Anwendung auszusetzen, bis das Parlament im Februar entschieden habe. "Aber ich gehe davon aus, dass der Rat das nicht machen wird." Der Rat hätte allerdings bei einem Entgegenkommen dem Parlament gegenüber "höhere Chancen" auf eine Zustimmung, sonst sei die Verärgerung groß.
Das war denn auch am Mittwoch nicht zu überhören. An sich werden die Debatten des EU-Parlaments im "gemessenen Kammerton" abgehalten, am Mittwoch dominierten jedoch solche Töne: von "einfach unzulässiger Vorgang" über "Affentempo" und "Schweinsgalopp" bis zu "wirklich beschämend" sowie "Ausflucht und Zeitschinden".
(futurezone/Erich Moechel/APA)