© Fotolia/Frank Axelsen , Linse einer Filmkamera

Sevenload: "Verdient wird erst im Web 3.0"

NETZVIDEO
23.10.2009

Der Markt für Online-Videoangebote ist hart umkämpft. Das deutsche Portal Sevenload hat es geschafft, im Schatten des Marktführers YouTube eine eigene Nische zu finden. ORF.at sprach mit Unternehmensgründer Ibrahim Evsan über die Marktchancen von Videowebsites, Geoblocking und das leidige Thema Piraterie.

"Oft ist es einfach eine Geschmacksfrage, welches Portal bevorzugt wird", meint Sevenload-Gründer Evsan. Das 2006 gegründete deutsche Unternehmen hat sich mit Video-Uploads ohne Minutenbeschränkung und dem vom traditionellen TV abgeschauten Konzept der Videokanäle vom Marktführer YouTube zumindest inhaltlich abgesetzt. Geld verdient der Videodienst aber nur in Ausnahmefällen, und einige Inhalte sind in Österreich erst gar nicht abrufbar.

Start-ups und Lizenzprobleme

Das Videoportal Sevenload wurde von Evsan und Thomas Bachem 2006 gegründet, zu einer Zeit, als auch YouTube noch in seiner Anfangsphase war. Heute ist Sevenload der größte europäische Online-Anbieter von TV-Sendungen, die von verschiedenen Fernsehpartnern zugeliefert werden - auch wenn einige davon aufgrund fehlender Lizenzen nicht in allen Ländern abrufbar sind. Mit seinen Erfahrungen als Start-up-Gründer will Evsan andere Unternehmer aufrütteln und sie dazu bringen, sich mehr mit digitalen Medien zu beschäftigen.

"Ein echter 'Onliner' ist jemand, der verschiedene Internet-Dienste und ihren jeweiligen Nutzen kennt. Die anderen sind Netzmigranten, die nur E-Mail nutzen oder gar keinen Internet-Zugang haben oder wollen. Ich nenne sie die 'Offliner'", so Evsan. ORF.at sprach mit dem Unternehmer anlässlich seines Besuchs auf der Wiener Medienkonferenz Digiday '09.

Ibrahim Evsan ist Gründer der 2006 in Deutschland gestarteten Videocommunity Sevenload, Internet-Experte im Medienbeirat Nordrhein-Westfalen und Autor des Buchs "Der Fixierungs-Code", das sich mit digitaler Medienkompetenz beschäftigt.

Sevenload bietet den Upload eigener Bilder und Videos an sowie insgesamt 1.200 Videokanäle mit Inhalten etwa von Sony Music, Universal, der "Big Brother Show" und World Wrestling Entertainment. Neben Marktführer YouTube und den Portalen MyVideo und Clipfish ist Sevenload das größte unabhängige Videoportal im deutschsprachigen Raum. Die Inhalte werden auf 22 Länderportalen und in elf weiteren Sprachen angeboten.

ORF.at: Sie sind als Gründer vor kurzem in den Beirat von Sevenload gewechselt. Warum wollen Sie nicht mehr operativ tätig sein?

Ibrahim Evsan: Die Firma ist mit rund 75 Mitarbeitern relativ groß geworden. Ich bin mehr der Tüftler, der in kleineren Teams arbeitet. Gründungen sind die schönste Zeit überhaupt, aber alle vier Jahren mache ich gerne etwas Neues. Im Sevenload-Beirat diskutiere ich gemeinsam mit unseren Entwicklern die neuesten Trends wie etwa "Realtime", also Echtzeitkommunikation. Die Jungs wissen schon, was sie machen, das ergänze ich mit dem Wissen meiner vielen Konferenzbesuche. Ich glaube an Sevenload, also halte ich auch meine relativ hohen Unternehmensanteile von weit über zehn Prozent.

ORF.at: Wie finanziert sich Sevenload?

Evsan: Sevenload wird mit Risikokapital der Deutschen Telekom, des Medienkonzerns von Hubert Burda, des Außenwerbeunternehmers Dirk Ströer und der Agentur Denkwerk finanziert. Wir gestalten für Firmen wie BMW eigene Videoportale und lassen Liveübertragungen von Konferenzen über unser System laufen. Sevenload ist in Deutschland klein, aber bedeutend, dabei bräuchten wir eigentlich noch einmal 50 bis 100 Millionen Euro, um richtig loslegen zu können. Der Videohype hat gerade erst begonnen, die Leute laufen jetzt mit ihren neuesten Kameras herum und zeichnen alles auf.

ORF.at: Müssen die Online-Videodienste auch weiterhin mit Geldzuschüssen von Kapitalgebern finanziert werden?

Evsan: Einige Formate laufen bereits kostendeckend. Wir bieten etwa schon länger Livestreaming-Dienste für 19,90 Euro im Monat an, das ist etwas, das wirklich funktioniert.

ORF.at: Macht Sevenload Umsätze mit den Videos von Fernsehshows wie "Big Brother", die als eigener Kanal abrufbar sind?

Evsan: "Big Brother" ist ein Format mit einer großen Zielgruppe. Das ist attraktiv für Werbekunden. Das gilt auch für die Sendungen von World Wrestling Entertainment, die wir europaweit anbieten. Da bekommt man relativ große Werbekunden wie McDonald's oder Pepsi. Die Werbeeinnahmen werden meistens 50:50 geteilt, das gilt auch für die Musikvideos von Sony und Universal.

ORF.at: Wird Sevenload zukünftig auch kostenpflichtige Downloads anbieten?

Evsan: Das wird kommen. Im Moment bieten wir Spielfilme nur werbefinanziert an, zum Beispiel haben wir 50 Kung-Fu-Filme in voller Länge. Vorher und nachher wird Werbung gezeigt, dazwischen auch noch, damit finanziert sich das. Wir werden zukünftig Bezahldownloads anbieten, auch über neueste Hybridfernsehgeräte mit Internet-Anschluss. Da werden wir höchstwahrscheinlich mit Video-on-Demand-Anbietern wie Videoload.de von der Deutschen Telekom oder anderen kooperieren, denn die haben bereits Inhalte und Lizenzen. Ganz ehrlich, wenn die Bezahlsysteme einfach sind und ich mit einem oder drei Euro einen guten Film in Topqualität bekomme, dann bezahle ich das auch gerne.

ORF.at: Besteht dabei die Gefahr, dass sich Leute auch Downloads über kostenfreie BitTorrent-Seiten holen, ohne Lizenzrechte zu beachten?

Evsan: Mit Sicherheit gibt es das, aber nur in einem kleinen Bereich. Die zehn Prozent Leute die das unbedingt machen wollen, weil sie datensammelsüchtig sind, die sollen das machen. Wir denken an den Massenmarkt, und der ist eben nicht kriminell. Ich bin überzeugt, dass über 50 Prozent der Menschen schon allein aus ethischen Gründen dort niemals downloaden würden. Weitere 40 Prozent wollen es vielleicht einmal machen, und nur zehn Prozent machen es wirklich.

ORF.at: Der amerikanische Videodienst Hulu.com bietet TV-Serien online an und finanziert sich durch Werbung. Denken Sie, dass Hulu.com einen Marktstart in Europa wagen wird?

Evsan: Das glaube ich nicht, die Rechtesituation ist hier komplett anders als in den USA. Die Inhalte der großen Anbieter wie CNN sind in Deutschland und, wie ich glaube, in Österreich ebenfalls gar nicht richtig bekannt. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass die stark genutzt würden.

ORF.at: Werden die vielen Web-2.0-Dienste eines Tages Gewinne schreiben?

Evsan: Dazu kenne ich einen wunderbaren Spruch: Web 1.0 war der Tod, Web 2.0 die Not, und Web 3.0 wird das Brot. Ich glaube daran, dass in der nächsten Welle alle verdienen werden. Die Leute gehen jetzt offener mit Bezahlsystemen um, PayPal wird etwa bei eBay sehr oft verwendet.

ORF.at: Wie stark werden die internationalen Portale von Sevenload genutzt?

Evsan: In der Türkei und Italien sind wir sehr stark vertreten, dann folgt Polen und die USA. Im Monat haben wir weltweit 21 Millionen Unique User, Deutschland macht dabei nur 20 Prozent aus. Unsere russische Seite ist noch nicht so weit, die Leute dort mögen ihre eigenen lokalen Systeme sehr gerne. Letztlich kommt es aber auf die Google-Optimierung an, und da sind wir sehr gut.

ORF.at: Viele Inhalte von Sevenload, vor allem Musikvideos, sind in Österreich wegen regionaler Einschränkungen nicht abrufbar, es erscheint die Meldung "Geoblocked". Ist das ein Problem für die Nutzer?

Evsan: Ja, das ist ein Riesenproblem. Die Lizenzgelder sind unfassbar hoch, für Österreich und die Schweiz sind die Verhandlungen erst in der Planungsphase. Die Möglichkeiten, heute an Videos zu kommen, sind aber sehr einfach. Die einen finden bei uns "Big Brother", die anderen suchen Musikvideos bei YouTube, weil diese bei uns geblockt werden. Die Lösung wäre, andere Videoplayer in das eigene Portal einzubinden. Wir zeigen beispielsweise auch YouTube-Videos in unseren Suchergebnissen an. Das macht YouTube nicht, weil sie nur ihren eigenen Player einsetzen wollen. Woher die Inhalte kommen, ist doch egal, solange die Erlöse geteilt werden können.

ORF.at: Werden diese Sperren von Nutzern umgangen?

Evsan: Ja, wobei das nur ein kleiner Anteil von etwa zehn Prozent macht. Das verfälscht natürlich die Statistiken.

ORF.at: Sie sind als Experte im Medienbeirat der nordrhein-westfälischen Landesregierung in Deutschland vertreten. Werden dort auch Themen wie Urheberrechtsgesetze diskutiert?

Evsan: Da treffen sich wichtige Leute aus Politik und der Medienbranche. Lizenzprobleme betreffen aber oft ganze Staaten, "Geoblocking" wird es auch die nächsten Jahre noch geben. Die Gesetze werden sich nicht ändern, man könnte sich nur auf eine Kultur-Flatrate einigen. Das würde sogar funktionieren, im Medienrat haben wir das ausgerechnet. Vier Euro wären das im Monat, dann könnte man alles herunterladen. Das hat aber den Nachteil, dass diese Kultursteuer auch Leute zahlen müssten, die das gar nicht nutzen können oder wollen. Die grünen Politiker sind sehr dafür, die Medienvertreter sind natürlich dagegen. Die träumen von der guten alten Zeit, dass alles noch mal gut geht und mit Strafen geregelt wird. Das ist aber schwer durchsetzbar. Von den zehn Prozent Nutzern, die unlizenzierte Filme downloaden, kann man vielleicht acht Prozent davon abhalten. Die restlichen zwei Prozent werden das aber immer machen. Vielleicht muss man das auch akzeptieren. Wenn man immer weiter sammelt, wird das zu einer Sucht. Diese Fixierung steckt in jedem drin.

ORF.at: Sie arbeiten nach Sevenload bereits an einem neuen Start-up-Unternehmen. Worum geht es da?

Evsan: Internet-Nutzer verlangen nach Online-Spielen in Kombination mit Sozialen Netzwerken. Wir wollen eine Welt aufbauen, ein großes Spielsystem. Keine Fantasy-Geschichte, eher eine Art Online-Wirtschaftsrollenspiel. Das wird auf allen Geräten funktionieren, auf dem iPhone, über Web-Browser oder über Fernseher, weltweit. Wir haben bereits sechs Zusagen von Investoren in Millionenhöhe und müssen uns nur noch für den richtigen entscheiden. Für das Spiel selbst haben wir noch keinen Namen, aber die ganze Entwicklungsphase machen wir ab dem kommenden Monat in einem Blog transparent. Das wird eine richtige Reality-Firmengründungsstory.

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(Richard Pyrker)