Wie der Tod ins Computerspiel kam
Passend zur aktuellen Debatte um "Gewaltspiele" und ihren Einfluss auf Jugendliche zeigt das Kasseler Museum für Sepulkralkultur [Totenkult] jetzt in der Sonderausstellung "game_over", dass Spiele um Gewalt und Sterben kein neues Phänomen sind.
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"Spiel ist ein Abbild des Lebens. In der Spielewelt findet sich unsere ganze Wirklichkeit - die positiven wie die dunklen Seiten", sagte Museumsleiter Reiner Sörries vor der Eröffnung.
"Das heute den Computerspielen angelastete Gewaltpotenzial gab es schon vor siebzig Jahren." Bereits damals hätten Barbesucher an Schieß-Automaten mit realistisch gestalteten Pistolen das Schießen üben können.
Lange vor dem Massaker von Erfurt konzipiert, sollen die rund 230 Ausstellungsstücke deutlich machen, dass Tod und Gewalt in der Kulturgeschichte des Spiels ebensowenig neu sind wie Versuche der Obrigkeit, Spiele zu verbieten.
"Spiel ist ein Spiegel unseres Lebens und unserer Welt", erklärt Sörries. "Da ist es zwangsläufig, dass es auch Elemente von Sterben und Tod und auch Elemente von Gewalt enthält." Ob im altrömischen Theater, im Mittelalter, vor hundert Jahren oder heute, das Thema sei geblieben, "nur eben auf dem jeweiligen technischen Stand".

Das erste Computerspiel auf dem Index
Am Computer ausprobieren kann man in Kassel neben neuen Spielen auch "River Raid", das erste Computerspiel, das 1984 auf den deutschen Jugendindex kam.
Dabei muss der Spieler ein Flugzeug um Hindernisse steuern und dabei möglichst noch gegnerische Hubschrauber abschießen. Was heute eher harmlos anmutet, galt damals als realitätsnahe Abbildung des Krieges.
In 20 Jahren werde man auch heutige Computerspiele mit ganz anderen Augen bewerten, ist sich Andreas Lange vom Computerspielemuseum in Berlin sicher, das diese Abteilung der Kasseler Ausstellung bestückt hat.

Debatte schon in der Antike
Neu am Computerspiel ist, dass sich ein Spiel während seines Verlaufs abspeichern lässt, erklärt Lange: "Stirbt" der Spieler, so kann er vom gespeicherten Stand aus nochmals starten.
Womit die Computerspiele allerdings eine Nähe zu "Mensch-ärgere-Dich-nicht" aufweisen. Denn die Spielidee dieses traditionsreichen Brettspiels kommt aus Indien und symbolisiert den Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt: Würfelt ein aus dem Spiel geworfener Spieler eine Sechs, hat er eine neue Chance und ist wieder dabei.
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Und auch den Streit, ob solch spielerische Erfahrung gut oder schlecht ist, führten schon die alten Griechen: Während Platon die Theater dem Guten und Edlen vorbehalten wollte, meinte Aristoteles, es könnten dort auch Aggressionen abgebaut werden. Lange: "Dieser Streit ist bis heute nicht entschieden."
Makaber mutet heute eine Spielzeug-Guillotine aus der Zeit der französischen Revolution an. Die Ausstellung zeigt einen englischen Spielautomaten aus dem Jahr 1815: Wer eine Münze einwarf, konnte eine Erhängung betrachten. Erste Schießautomaten gab es schon um 1900, später wurden sie aufgerüstet, wie ein Plakat aus den 50er Jahren zeigt: Es preist ein "Leuchtspur-Maschinengewehr" als "Unterhaltungsautomat mit sensationellen Kassen" an.

Spiele unter Verdacht
Neben der ewigen Debatte um den Einfluss von Spielen auf die reale Gewalt zeigt die Ausstellung aber auch frühe Beispiele für das Verbot von "Gewaltspielen":
Beim mittelalterlichen Tarot gehört der Sensenmann mit der Unglücksnummer 13 zu den Trümpfen. Das Spiel galt als verwerflich, führte angeblich zu Leichtsinn, Trinksucht sowie lasterhaftem Zorn und damit auch zu Mord und Totschlag.
Schon 1377 sprach deshalb die Stadt Florenz ein Verbot der Spielkarten aus, ein Vorbild, das europaweit schnell zahlreiche, aber erfolglose Nachfolger fand.