User-Content soll Netscape wiederbeleben
Netscape, einst der meistgenutzte Browser im Netz, soll nun als Website und Marke für Citizen-Journalismus wieder auferstehen. Die Nutzer sollen auf Netscape.com selbst bestimmen, welche Geschichten im Netz sie interessant und damit verlinkungswürdig finden.
Nutzer können in Zukunft auf Netscape.com selbst Geschichten aus dem Netz posten, so genannte Anchors [von Netscape bestimmte professionelle Redakteure] sollen dann die ihnen am wichtigsten erscheinenden Geschichten besonders hervorheben.
Je populärer eine Geschichte, desto prominenter soll sie auf Netscape.com auch präsentiert werden. Dafür werden Faktoren wie Aktualität, Anzahl der dafür abgegebenen Stimmen, Kommentare, Klicks und Weiterleitungen an andere Nutzer ausgewertet.
Eigene Reportagen geplant
Die Anchors sollen Geschichten kommentieren und auch eigene Reportagen schreiben, etwa ein Interview mit einem Restaurantbesitzer ergänzend zu einer professionellen Kritik zu seinem Restaurant, so Netscape.
Damit greift Netscape unter anderem das bereits bewährte System von Slashdot und digg.com auf, wo Nutzer durch Wahl selbst bestimmen, welche Geschichten Nachrichtenwert haben.
Anleihen werden aber auch bei Google News genommen, wo die Relevanz von Geschichten durch Software-Analyse bestimmt wird.
Einst Synonym für Web-Browser
In den 90er Jahren war der Name Netscape noch das Synonym für Web-Browser, doch Microsoft schaffte es mit seiner Marktmacht und dem hauseigenen Internet Explorer, der auf allen Windows-Systemen vorinstalliert ist, den Browser bald in die Ecke zu drängen.
Heute Diskontmarke
1999 wurde Netscape dann für zehn Milliarden Dollar von AOL gekauft und verschwand in die Irrrelevanz, zuletzt als Diskontmarke für Dial-up-Internet-Zugänge und als Portal-Website.
Auch der jetzige Netscape-Chef Jason Calacanis schrieb im Netz Geschichte, zuerst als Herausgeber des Silicon Alley Reporter, später dann mit dem sehr populären Gadget-Weblog engagdet.com.
Letztes Jahr verkaufte er seine Firma Weblogs.com für rund 25 Mio. Dollar an AOL.
"Meta-Journalimus" für Netscape
Calacanis will mit Netscape.com als eine Art "Meta-Journalismus" moderne Nachrichten-Angebote im Netz neu definieren.
Dabei will er laut eigenen Angaben traditionellen Nachrichten-Organisationen keine Konkurrenz machen, mit deren Niveau könne Netscape ohnedies nicht mithalten, so Calacanis: Diese würden 90 Prozent der Strecke zurücklegen, Netscape.com dann die nächsten zehn.
Ausgleich für sinkende AOL-Umsätze
Für die Muttergesellschaft Time Warner ist die Wiedergeburt von Netscape neben der Reaktivierung der einst teuer gekauften Marke auch der Versuch, mehr Einnahmen aus Online-Werbung zu generieren - als Ausgleich für die konstant sinkenden Gewinne aus dem AOL-Online-Service.
Sollte das Angebot allerdings nicht angenommen werden, könnten die im Mai von Comscore gezählten 11,2 Mio. Besucher bald weniger werden und zu anderen Angeboten abwandern.
(Reuters | AP | LA Times)
