TV und Netz in friedlicher Ko-Existenz
Angesichts der explosionsartigen Zunahme der Internet-Nutzung hat mancher Medienguru das "alte" Medium Fernsehen bereits für tot erklärt.
Und Zahlen wie etwa aus der letzten ARD/ZDF-Online-Studie scheinen dies auch vordergründig zu untermauern: Etwa ein Drittel der Internet- Benutzer gibt an, dass ihre Zeit im Netz zu Lasten des TV-Konsums geht.
Auf einer Podiumsdiskussion in Hamburg wurde von Medienexperten letzte Woche dennoch ein differenzierteres Bild von der Konkurrenz der beiden Medien gezeichnet.
Für einen Abgesang auf das Fernsehen gibt es beispielsweise aus Sicht des Medienforschers Uwe Hasebrink keinen Anlass: In einer Untersuchung für die Hamburger Landesmedienanstalt [HAM] kommt er zum Ergebnis, dass zumindest auch im Jahr 2005 das Fernsehen weiterhin noch seine überragende Rolle in der öffentlichen gesellschaftlichen Kommunikation behalten wird.
TV stellt Konsum-Gemeinschaft her
Hasebrink ist sich sicher, dass das Vollprogramm mit seinen gängigen Programmformaten von der Talkshow bis zur "Tagesschau" weiterhin eine wichtige Integrationsfunktion für die Gesellschaft behalten wird.
Auch künftig werde es Sendungen geben, die Millionen von Menschen gleichzeitig an das Fernsehgerät fesselten. "Das Tolle am Fernsehen ist, dass ich weiß, dass auch andere dasselbe gucken".
Hasebrink glaubt, dass es keinen Verdrängungswettbewerb zwischen Internet und Fernsehen geben wird. Im Schnitt sei der TV-Konsum auch unter den Jüngeren, die besondern gerne "surfen", in den vergangenen Jahren stabil geblieben - weil insgesamt einfach mehr Medien konsumiert werden.
Das Leitwort für das Fernsehen der Zukunft mit seiner Vielzahl von Kanälen angesichts der Digitalisierung heißt für Hasebrink "Enhanced TV": Darunter wird verstanden, dass Zuschauer bei der Annäherung von TV-Gerät und Computer die Fernsehnutzung durch mehr Auswahl und mehr Interaktion gestalten werden. "Viele andere Fernsehzuschauer werden die Herausforderungen der Interaktivität jedoch eher aussitzen", prophezeit Hasebrink.

"Anthropologische Konstante"
Auch die TV-Kritikerin der "Zeit", Barbara Sichtermann, wies auf soziologische Gegebenheiten des TV-Konsums hin.
Als "anthropologische Konstante" bezeichnete sie das Verhalten des Zuschauers etwa eines Krimis, sich nicht noch interaktiv an der Suche nach dem Täter beteiligen zu wollen: "Warum soll das Publikum die Arbeit des Dramaturgen übernehmen?", meinte Sichtermann.
Dem konnte sich ein ausgewiesener Internet-Skeptiker wie Helmut Thoma, ehemaliger RTL-Chef und heute Berater der nordrhein- westfälischer Landesregierung, nur anschließen. "Das Internet wird erst eine Konkurrenz, wenn es [von der Bildqualität auf dem PC] genauso wird wie das Fernsehen". Ängste vor einer Gefahr für das Fernsehens durch die Online-Kommunikation hält auch Klaus-Peter Schulz von der Geschäftsführung des Berliner Privatsenders SAT.1 für unbegründet. Er verwies darauf, dass Internet-Benutzer nur zehn Prozent weniger vor der Glotze sitzen als Nicht-Surfer. Oft sei es sogar so, dass Online-Nutzer zur gleichen Zeit noch das TV-Gerät laufen hätten.

Individualisierung garantiert
Trotz des festen Glaubens an die Macht des Fernsehens waren sich Medien-Experten einig, dass das Internet die Individualisierung des Medienkonsums enorm beschleunigen wird.
Auch beim Fernsehen wird die in den nächsten Jahren bevorstehende Digitalisierung mit einer Vervielfachung der Programme den Trend zum Special-Interest-Kanal begünstigen.
Zwischen Internet und Fernsehen ist demnach eher von einer "Parallelisierung und nicht Kannibalisierung" der Märkte auszugehen.