Weiter Streit über Führerschein-Software
Zwei Wochen nach dem Start der neuen Software für Führerscheinprüfungen schwelt der Streit zwischen Fahrschulfachverband und der Herstellerfirma Programmierfabrik unvermindert weiter. Der Schlagabtausch erfolgt in Form von Vorwürfen und Software-Updates. Das Verkehrsministerium bemüht sich um Schlichtung.
"Heute habe ich wieder dreieinhalb Stunden mit der Installation von Software verbracht", klagt Alexander Seger, Eigentümer der Fahrschule Fürböck in Mödling. Nach Auskunft des Fachverbands der Fahrschulen kämpfen immer noch viele Betriebe mit der neuen Prüf- und Verwaltungssoftware, die vor zwei Wochen eingeführt worden ist.
Am Montag, dem 31. März, hatten die 372 österreichischen Fahrschulen auf die neue Software umgestellt. Das neue Programm sollte es ermöglichen, Prüfungsfragen stets aktuell über das Internet von einem Server abzurufen, damit sie stets dem geltenden Recht entsprechen, etwa wenn Regelungen wie "Licht am Tag" wegfallen. Davor wurden die Fragen etwa einmal pro Jahr per CD-ROM angeliefert. Dabei war es nicht möglich, auf Neuerungen im Verkehrsrecht einzugehen.
Die Vorgeschichte
In Österreich werden seit 1998 die theoretischen Führerscheinprüfungen mit Hilfe einer Software durchgeführt, die von der Firma BOS EDV GmbH & Co KG in Kremsmünster erstellt wurde.
Im Frühjahr 2006 erhielt die Linzer Firma Programmierfabrik GmbH vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie nach einer öffentlichen Ausschreibung den Zuschlag zur Erstellung einer neuen Software für die Prüfung. Die erste Version dieses Programms wurde Mitte 2007 vorgelegt.
Das Auftragsvolumen für die Erstellung des neuen Systems betrug laut Aussage der Programmierfabrik und des Fahrschulfachverbands rund 400.000 Euro exklusive Wartungskosten. Die Software wurde für den Einsatz unter Windows XP entwickelt.
Probleme mit Updates
Gerade dieser Update-Mechanismus, mit dem nicht nur neue Fragen, sondern auch neuer Programmcode auf die Fahrschulrechner eingespielt werden können, macht vielen Fahrschulen nun Probleme. Am ersten Einsatztag etwa hatte das Programm übersprungene Zusatzfragen fälschlicherweise als falsch beantwortet gezählt.
"Mindestens 40 Prozent der österreichischen Fahrschulen haben sich schriftlich bei uns darüber beschwert, dass das neue Programm nicht funktioniert", so Gernot Reiter, zuständiger Referent im Fachverband der Fahrschulen in der Wirtschaftskammer. "Im Schnitt erhalten wir seit der Umstellung 15 bis 20 Beschwerde-Mails pro Tag."
"Nach dem letzten Update auf Version 201 der Prüfungssoftware wurden alle Verknüpfungen auf Programme und Systemsteuerung in XP auf die Prüfungssoftware selbst umgelenkt - auch im Administrator-Account", konkretisiert Seger eines der Probleme, "somit ist es nicht möglich, die Netzwerkeigenschaften bei installierter Prüfungssoftware zu bearbeiten." Seit dem 31. März habe es schon drei Updates der Software gegeben, die jeweils ihre eigenen Probleme mitgebracht hätten.
Datensicherheit
Sowohl Reiter und Seger als auch Norbert Hausherr, Obmann des Fachverbands der Fahrschulen, werfen der Programmierfabrik vor, auch die Prüfung selbst nur nachlässig gesichert zu haben. "Im Gegensatz zur alten Software stellt die neue die Fragen schon vor der Prüfung zusammen und sichert diese nur unzureichend", so Hausherr.
Seger pflichtet ihm bei: "Die Fragen können auch auf einem USB-Stick gespeichert und dem Prüfling schon vorher übergeben und entschlüsselt zugänglich gemacht werden, ohne dass die Aufsichtsperson etwas davon bemerken würde."
Programmierfabrik verteidigt sich
Wilfried Seyruck, Geschäftsführer der in Linz, Hagenberg und Wien ansässigen Firma Programmierfabrik, die die neue Software in zirka einjähriger Arbeit erstellt hat, weist die Vorwürfe des Fachverbands zurück.
"Wir haben nach dem Pflicht-Update am Dienstag, den 1. April, um 12.00 Uhr 788 Prüfungen erfolgreich durchgeführt. Im Schnitt laufen derzeit 600 Prüfungen pro Tag über unsere Software. Es gab dabei keine größeren Probleme", so Seyruck, der dem Fachverband vorwirft, die Fahrlehrer nicht rechtzeitig im Umgang mit der neuen Software geschult zu haben.
"Hotline nicht ausgelastet"
"Die Schulung ist erst in der letzten Woche nach Ostern durchgeführt worden", so der Geschäftsführer, "dabei ist der Westen Österreichs außen vor gelassen worden. Es gab viele Meldungen über Fehler aus Tirol und Vorarlberg. Daher war am ersten Tag auch unsere Hotline überlastet. Das ist jetzt aber behoben. Ein Beispiel: Am Sonntag ist ein Update für die Verwaltungssoftware herausgekommen. Das war kein Pflicht-Update. Bisher haben das 60 Fahrschulen installiert, dabei gab es gerade einmal zwei Anrufe bei der Hotline. Die ist derzeit nicht ausgelastet."
Die Probleme, die etwa Seger im Admin-Modus hatte, seien durch ein mitgeliefertes Tool leicht zu beheben, mit dem der Rechner vom Kiosk-Modus, in dem nur die Prüfungssoftware läuft, wieder in den Normalbetrieb zu versetzen sei. Auch im Kiosk-Modus sei die Systemsteuerung über den Explorer zu erreichen. Laut Seger waren dieses Tool und der Zugriff via Explorer nicht dokumentiert, es sei auch unprofessionell, auch den Admin-Account in den Kiosk-Modus zu versetzen.
Konflikt der Interessen
Scharfe Kritik übt Seyruck an Fachverbandschef Hausherr: "Der Fachverband ist hier nicht objektiv, weil Hausherr an der Firma BOS beteiligt ist, die die Vorgängersoftware hergestellt hat. Seine Firma hatte nicht die nötige Größe und die nötigen Referenzen für den Auftrag vorzuweisen. Der lässt jetzt natürlich kein gutes Haar an unserer Software."
Hausherr wiederum lässt Seyrucks Vorwürfe nicht gelten: "Gerade wegen des Interessenkonflikts haben wir uns nicht um den Auftrag des Ministeriums beworben. Die Entscheidung über die Anschaffung der neuen Software trage ich mit." Dass der Fachverband mit den Schulungen so spät begonnen habe, sei daran gelegen, dass die Programmierfabrik ihrerseits die erste Schulung für die professionellen Multiplikatoren unter den Fahrlehrern, die Key-User-Schulung, erst am 5. und 6. März durchgeführt habe. Hausherr: "Vorher haben sie ein Jahr lang mit den Fahrschulen nicht geredet, sondern das Pflichtenheft abgearbeitet." Auch dieses habe der Überarbeitung bedurft.
Keine Zeit für Schulungen
Seyruck wiederum wirft dem Fachverband vor, die Software im Vorfeld nicht ausreichend gut getestet zu haben. "Wenn die für den Betatest ausgewählten Fahrschulen nur einmal eine Prüfung simuliert hätten, wäre ihnen der Fehler mit den Zusatzfragen aufgefallen. Ohne Rückmeldungen können wir die Fehler nicht beheben", so der Chef der Programmierfabrik.
"Herr Hausherr hat uns bei einer Sitzung im Bundesrechenzentrum knapp vor Ostern auch versichert, dass alle Fahrschulen das neue System bereits am Donnerstag vor der Einführung installiert haben würden. Fast 100 Fahrschulen haben die Software zum Start dann aber nicht gehabt und dann erst mit dem Installieren angefangen. Die haben da natürlich unsere Hotline dichtgemacht."
Hausherr sieht unterdessen immer noch "massive Probleme" bei der Software der Programmierfabrik. Fachreferent Reiter zufolge haben auch nach Einführung des neuen Systems immer noch einige Fahrschulen entgegen der Weisung des Verkehrsministeriums mit der alten Software geprüft. "Es ist absolut nicht alles okay", sagt Reiter, "wenn Herr Seyruck sagt, dass die meisten Prüfungen erfolgreich abgeschlossen wurden, dann nur deshalb, weil die Fahrschulen vorher die massiven Probleme bei Installation und Betrieb bewältigt haben." Wie viele Fahrschulen nun tatsächlich von Ausfällen betroffen waren und wie viel Geld sie die Wartung ihrer Systeme gekostet hat, konnte der Fachverband nicht sagen.
Ministerium moderiert
Laut Marcin Kotlowski, Sprecher von Verkehrsminister Werner Faymann [SPÖ], will das Ministerium weiterhin zwischen den zerstrittenen Parteien vermitteln. "Wir wollen zuallererst dafür sorgen, dass die Prüflinge sich hundertprozentig sicher sein können, dass die Prüfungen korrekt ablaufen", so Kotlowski.
Nach den anfänglichen Problemen mit den Zusatzfragen laufe der Betrieb nun normal, es gebe "keine flächendenkenden Probleme". Für Freitag sei ein Treffen mit Vertretern des Ministeriums, des Fachverbands und der Programmierfabrik angesetzt.
Auf das Sicherheitsproblem des eventuellen Zugriffs auf Prüfungsfragen angesprochen, sagte Kotlowski, dass dieser nur bei "drastischem Missbrauch" möglich sei. Die Prüfung könne nur von der Aufsichtsperson mit ihrer Bürgerkarte und unter Eingabe eines sechsstelligen Codes initiiert werden. Man werde aber auf Anregung der Fahrlehrer anlässlich eines Treffens im Lauf der kommenden zwei Wochen weitere Optionen zur Sicherung des Systems prüfen.
Seit Einführung des neuen Systems seien etwa 3.000 Prüfungen abgewickelt worden, die Durchfallsquote sei bei zwölf bis 14 Prozent gelegen. "Das liegt im normalen Bereich", so Kotlowski. Auf die Gründe für die derzeitigen Probleme angesprochen, sagte Kotlowski, dass die Programmierfabrik genügend Zeit gehabt habe, eine gute Software abzuliefern. Sein Haus habe hingegen bei den Schulungen nicht rechtzeitig eingegriffen, die viel zu spät erfolgt seien. "Das würden wir heute anders machen", räumte Kotlowski ein, "Aber auch 1998, bei der Einführung der Prüfung auf CD-ROMs, hat es am Anfang einige Probleme gegeben."
(futurezone | Günter Hack)