Auftakt zur Regelung des Patentwesens
Das EU-Parlament hat gestern eine Resolution zur künftigen Regelung des europäischen Patentwesens verbschiedet. Hauptkritikpunkte der Gegner sind die Rolle des Europäischen Patentamts in der kommenden Patentschlichtungsstelle und hohe Prozesskosten, die sich nur Großkonzerne, nicht aber KMUs leisten könnten.
Einen Tag nach der Anhörung über das umstrittene Abkommen zur Weitergabe von EU-Passagierdaten an die US-Heimatschutzbehörden hatte das EU-Parlamentgestern eine weitere langjährige Kontroverse zwischen den EU-Institutionen auf der Agenda: Softwarepatente.
Die werden - wenn auch indirekt - von der Resolution für eine europäische Patentregelung tangiert, die auch verabschiedet wurde. Erwartet wird nun, dass sich die kommende deutsche EU-Präsidentschaft des Themas annimmt, denn irgendeine Regelung zum europäischen Patentwesen wollen alle Parlamentarier.
Das European Patent Litigation Agreement ...
Die Frage, um die es bei dieser Resolution ging, war, in welchem rechtlichen Rahmen das stattfinden sollte, und daran schieden und scheiden sich die Geister.
EU-Kommissar Charlie McCreevy und die konservative Fraktion waren für die Einsetzung einer neuen Instanz, nämlich des Schlichtungsabkommens EPLA [European Patent Litigation Agreement].
... und seine Gegner
Ein Antrag von Sozialdemokraten und Grünen, der auch in allen anderen Fraktionen individuelle Unterstützer fand, sprach sich dagegen aus, zumal das EPLA auch Nicht-EU-Staaten umfasst.
Problematisch finden sie dieses Abkommen auch deshalb, weil es auf der European Patent Organization [EPO] aufsetzt, die hinter dem Europäischen Patentamt steht. Die EPO wiederum untersteht nicht der EU. Damit werde hier erneut eine Hintertür zur Patentierbarkeit von Software geöffnet, wird befürchtet.
Die Trivialpatente
Das Europäische Patentamt ist in den vergangenen Jahren dadurch aufgefallen, dass es kontradiktorisch zur EU-weiten Regelung bezüglich der Nichtzulassung von Softwarepatenten solche in rauen Mengen vergab.
Dazu kam eine Unzahl von Trivialpatenten auf "Erfindungen" wie den "Download-Balken" und andere Dinge des täglichen Gebrauchs der Informationsgesellschaft.
Richter und Schlichter
Wenn dann noch Funktionäre und Experten des EPA in Zukunft womöglich identisch mit den Richtern in der Europäischen Patentschlichtungsstelle [EPLA] sein sollten, könnte das europäischen KMUs nachhaltig schaden, befürchten Abgeordnete aus allen Fraktionen.
In der Schlichtungsstelle EPLA sollen umstrittene Patentfälle nämlich geregelt werden, geschätzte Streitkosten pro Fall: ab 90.000 Euro. Das seien Summen, die sich die kleinen und mittleren Unternehmen Europas nicht wirklich leisten könnten, meinten die Gegner.
Der Kompromiss ...
Am Donnerstag gab es dennoch eine breite Mehrheit, denn die sozialdemokratische Fraktion hatte mit den Konservativen einen Kompromiss ausgehandelt. Wie gut der ist, darüber ist man sich naturgemäß nicht einig.
Die Abgeordnete Eva Lichtenberger [Grüne], die zusammen mit ihrer österreichischen Kollegin Maria Berger [SPE] den ursprünglichen Antrag der Opposition auf eine direkte EU-Regelung eingebracht hatte, ist überzeugt, es hätte auch eine Mehrheit dafür gegeben. Die EU-Parlamentarier hatten 2004 den Richtlinienentwurf zum Thema "Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen" quer durch alle Fraktionen mit großer Mehrheit abgelehnt.
... in einem Nebensatz
Der von den Sozialdemokraten erzielte Kompromiss sei bis auf einen Nebensatz praktisch identisch mit dem Vorschlag von Kommissar McCreevy, meint die grüne Abgeordnete.
Durch den angenommenen Änderungsantrag Nr. 7 wurde der Nebensatz "wobei es um Anliegen wie die demokratische Kontrolle, die Unabhängigkeit der Justiz und die Kosten für Streitigkeiten geht" in Artikel 1 eingefügt.
Außerparlamentarische Gegner
"Niemand kann ernsthaft heute einen Sieg für sich reklamieren oder eine Niederlage eingestehen, denn die heutige Entscheidung lässt alle Optionen für die Zukunft offen", schreibt Florian Müller, einer der wortführenden Patentgegner.
"Die schlechte Nachricht ist, dass das EP auch nicht so weit ging, den EPLA-Zug anzuhalten, und wir immer noch auf der Suche sind nach der ersten Institution, die sich ganz deutlich gegen das EPLA in seiner jetzigen Form ausspricht."
(futurezone | Erich Moechel)