EU-Ministerrat verwässert Datenschutz
Erstmals soll die Möglichkeit für Mitgliedsstaaten, die EU-Datenschutzdirektive außer Kraft zu setzen, explizit in EU-Recht festgeschrieben werden. Als Grund genügt bereits die "Verhütung von Straftaten", ein Zeitlimit ist nicht gesetzt.
Das steht in der Neufassung der EU-Direktive zum Datenschutz, die in der Ratssitzung zum Thema Telekommunikation und Transportwesen am 6. und 7. Dezember offiziell vorgelegt wird.
Die vom EU-Parlament geforderten Beschränkungen für nationale Ausnahmen von der verpflichtenden Datenspeicherung sind in einer Neufassung der Datenschutzdirektive durch die Kommission nicht mehr enthalten.
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Weder "angemessen" noch "ausgewogen"
Artikel 15, der immer schon eine allgemein formulierte Ausnahmeregelung bezüglich nationaler oder öffentlicher Sicherheit enthielt, schreibt nun erstmals dezidiert fest, dass EU-Mitglieder die Speicherung von Daten auf Basis von Artikel 15 anordnen können. Eine zeitliche Beschränkung ist nicht definiert.
Die vom EU-Parlament verlangte Formulierung, dass die Verpflichtung der Provider zur Datenspeicherung "angemessen, ausgewogen und zeitlich beschränkt" sein müsste, ist in der Ratsvorlage für den 6. Dezember ebenfalls nicht mehr enthalten.
Zentrale Aussage relativiert
Damit ist die zentrale Aussage der Datenschutzdirektive, dass
sämtliche Verbindungsdaten, die zu Übertragungszwecken oder zur
Abrechnung benötigt werden, umgehend gelöscht werden müssen,
vollkommen relativiert.

Und das hat die Arbeitsgruppe Telekommunikation aus dem Willen des Parlaments gemacht. Nicht wirklich überraschend erfolgt das Hosting des nunmehr öffentlichen Dokuments auf John Youngs

Keine Ausnahme, sondern Normalität
Folgerichtig hat man auch jenen Passus des EU-Parlaments aus der Fassung vom 20. November eliminiert, der staatlich verordnete Datenspeicherungs-Maßnahmen als "vollständige Ausnahme" definiert.
Gleichfalls gestrichen wurde der Zusatz des Parlaments, dass "weit reichende, generelle und erforschende elektronische Überwachung" durch die Europäische Menschenrechtskonvention explizit verboten sei.
Verhütungszwecke
Sollte die derzeitige Version, die bereits wie eine Endfassung
gestaltet ist, vom Rat verabschiedet werden, steht es jedem
Mitgliedsland frei, die Kernaussage der Direktive etwa unter
Berufung auf die "Verhütung von Straftaten" de facto außer Kraft zu
setzen.

Verbindungsdaten
Internet-Providern und Betreibern von GSM-Netzen kann generell die Speicherung aller Verbindungsdaten über den Zeitpunkt der Abrechnung hinaus vorgeschrieben werden.
Unter "Verbindungsdaten" fallen nach dem mit 20. November 2001 datierten Papier ausdrücklich auch geografische Daten, wie sie in der GSM-Telefonie, bei drahtlosen Zugängen ins Internet wie GPRS und irgendwann auch bei UMTS anfallen.