"EU-Datenschutz ist gefährdet"
Bürgerrechtsgruppen warnen nach den Anschlägen in den USA vor einer Lockerung der Datenschutzgesetze in der EU.
"In der EU versuchen Sicherheitsbehörden derzeit die Situation zu nutzen, um eine ganze Reihe neuer Vollmachten einzuführen", sagte Simon Davies, Direktor der britisch-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation "Privacy International".
Europa als Privacy-Vorreiter
Europa gilt nach wie vor als Vorreiter bei den Bemühungen, den
Datenschutz auch in den Zeiten neuer elektronischer Medien wie des
Internets zu verteidigen. Bereits in den siebziger Jahren hatten die
Europäer weltweit die ersten Datenschutzrichtlinien erlassen.

Öffentlichkeit will beruhigt werden
Doch seit den Anschlägen in den USA wächst die Sorge, elektronische Medien könnten für terroristische Anschläge genutzt werden. Es wird befürchtet, Regierungen könnten sich gezwungen sehen, elektronische Datennetze in noch nie da gewesener Form zu überwachen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen.
Die Folgen wären neben eingeschränkten Bürgerrechten auch hohe Kosten für die Telekommunikations- und Internet-Firmen, die bereits jetzt unter finanziellem Druck stehen.
"Weltweit tendieren die Regierungen dahin, sowohl in den Schutz der Menschenrechte als auch in den Datenschutz einzugreifen", sagte Davies. "Es ist kaum zu verhindern, dass es in Europa bald möglich sein wird, mehr Informationen über EU-Bürger zu sammeln und zu speichern."
Längere Datenaufbewahrung
Von einer längeren Aufbewahrung der Daten versprechen sich die Behörden eine bessere Verfolgung von Terroristen. "Doch es ist nicht so einfach, die Informationen zu durchsuchen", meint Joe McNamee, Sprecher von EuroISPA, einer Vereinigung europäischer Interneta-Anbieter.
Stimmung hat sich geändert
Die EU-Kommission weist darauf hin, dass die EU-Richtlinien es den Regierungen ihrer Mitgliedsländer bereits jetzt erlaubten, persönliche Freiheitsrechte einzuschränken, sofern die nationale Sicherheit auf dem Spiel stehe.
In der Tat mehren sich die Anzeichen, dass die EU-Regierungen bereit sind, weitere Schritte im Kampf gegen den Terrorismus zu unternehmen. Auf einem EU-Gipfel in der vergangenen Woche bemühten sich die Regierungchefs bereits, eine gemeinsame Definition für Terrorismus, strengere Geldwäschegesetze und einen europaweit geltenden Haftbefehl zu erreichen.
Marco Cappato, Abgeordneter im Europäischen Parlament und dort zuständig für Datenschutzgesetze, fürchtet, dass die gegenwärtige Situation das EU-Parlament zwingen wird, bürgerliche Freiheiten einzuschränken. "Es ist offensichtlich, dass sich die Stimmung geändert hat", sagte Cappato.
Der Widerstand im Parlament gegen gelockerte Regeln für polizeiliches Handeln außerhalb des strengen demokratischen und gesetzlichen Rahmens nehme ab, sagte der Parlamentarier.