"Wii Fit": "Fragen Sie vorher einen Arzt"

06.05.2008

Mit "Wii Fit" will Konsolenhersteller Nintendo etwas für eine gesündere Lebensweise und die Fitness seiner Benutzer tun. Allerdings sollten vor und beim Gebrauch einige Regeln beachtet werden, sagen Mediziner. Ersatz für echten Sport ist "Wii Fit" ohnedies nicht.

Fast jeder will etwas für seine Gesundheit tun, doch meist bleibt nicht genügend Zeit oder auch Lust, um sich ins Fitnessstudio zu schleppen oder eine Runde durch den Park zu laufen.

Mit "Wii Fit" soll das laut Nintendo nun anders werden: Mit täglichen Übungen soll die ganze Familie damit fit werden und bleiben, ohne das Haus verlassen zu müssen.

Fitness anhand des BMI

Als Grundlage dient das Balance Board, eine Art Körperwaage, die mit diversen Sensoren die Lage des Spielers misst und Feedback etwa über sein Gleichgewicht gibt oder auch das aktuelle Gewicht misst. Sie dient als Eingabegerät.

"Wii Fit" selbst ist eine Sammlung verschiedener Übungen aus den Bereichen Yoga, Muskeltraining und Aerobic sowie Balancespielen, etwa Kopfball, Seiltanz, Jogging, Steppen, Klappmesser, Liegestütze, "Sonnengruß" und "Herabschauender Hund".

Beim Einstieg wird der Spieler nach seiner Größe und seinem Alter gefragt, mit dem Gewicht wird dann der Body-Mass-Index [BMI] und anhand der Körperbalance das aktuelle "Wii Fit"-Alter berechnet. Anschließend können Trainingsziele wie etwa Gewichtsreduktion gesetzt und ein Trainer ausgewählt werden, der manche Übungen vorzeigt.

Mit dem Balance Board und "Wii Fit" stürmt Nintendo derzeit die Verkaufscharts: Auf Amazon.de liegt "Wii Fit" hinter dem HD-DVD-Laufwerk für die Xbox 360 und "Grand Theft Auto VI" für die PlayStation 3 auf Platz drei.

Balance zwischen Schweiß und Nachbarn

Die Übungen selbst sind durchaus fordernd bis schweißtreibend, vor allem jene aus der Abteilung Aerobic, wobei Jogging [dabei dient die Wiimote als Gradmesser der Bewegung] als Wohnzimmersport weniger geeignet ist und vor allem in Wohnungen mit schwingenden Plafonds zu heftigen Streits mit den Nachbarn führen könnte. Ein etwaiger Kalorienverbrauch wird dabei nicht angezeigt.

Während die Balancespiele wie Slalom und Kopfball auch der Unterhaltung dienen, sind die Übungen aus dem Bereich Yoga und Muskelaufbau durchaus ernst zu nehmen - und das in jeder Hinsicht: Liegestütze oder Klappmesser können zwar bestimmte Muskelgruppen durchaus stärken, allerdings ist auch die Verletzungsgefahr nicht zu verachten, gerade bei bereits geschädigten Muskeln und Gelenken oder einem beschädigten Stützapparat. Auch manche Yoga-Figuren sind potenzielle Verletzungsquellen.

Kein Feedback über Bewegungsablauf

Wer jemals eine Physiotherapie gemacht hat, weiß, dass es bei manchen Übungen tatsächlich um Zentimeter geht, ob sie nun nützen oder Schaden anrichten. Abseits der angezeigten Balancefähigkeit hat der Spieler bei "Wii Fit" jedoch keine Möglichkeit zu überprüfen, ob er die Übungen nun richtig gemacht hat.

Mitunter lässt sich das Gerät auch genussvoll täuschen: So kann das Joggen durch bloßes Rütteln der Wiimote in der Hand simuliert werden, und beim Klappmesser reicht es, die Beine im richtigen Rhythmus auf das Board zu stellen - ob man die Übung selbst gemacht hat, kann das Gerät nämlich nicht überprüfen.

Vor dem Üben Arzt fragen

Entsprechend skeptisch zeigt sich denn auch Friedrich Hartl, Facharzt für Physikalische Medizin und Fachgruppenobmann der Ärztekammer Wien: "Bei manchen Übungen wäre es sinnvoll, vorher einen Arzt zu fragen und abzuklären, ob sie ohne Verletzungsgefahr ausgeführt werden können."

Es gebe nämlich durchaus Schädigungen, die zwar im normalen Alltag nicht weiter auffallen, durch bestimmte Belastungen aber herausgefordert und akut werden, sagte Hartl gegenüber ORF.at.

"Nicht für Krankheitsbehandlung"

Es fehle hier das menschliche Feedback etwa eines Yoga-Lehrers, der sich ein viel feineres und exakteres Bild vom Übenden machen könne, als ein Gerät es anhand eines normierten Modells und Algorithmus' jemals könnte, so Hartl.

Ein Fachmann könne schon anhand der Bewegungen erkennen, ob Störungen vorliegen, und diese entsprechend einbeziehen oder behandeln. "Hier wird der wesentliche Teil der Wirklichkeit ausgeblendet, der das eigentliche Risiko für den Benutzer darstellt." Für die Krankheitsbehandlung sei "Wii Fit" aufgrund dieser Einschränkungen daher so nicht geeignet. Hartl empfiehlt, wie grundsätzlich bei allen Sportarten, vor Beginn eine ärztliche Untersuchung.

Der psychologische Aspekt

Rudolf Schmitzberger, Kinderfacharzt und ebenfalls Fachgruppenobmann der Ärztekammer, findet zwar das Prinzip "Mehr Bewegung für Kinder" gut, sieht aber noch ein weiteres Problem: "Man sollte die psychologischen Aspekte nicht außer Acht lassen: Zwar tut man hier etwas für die Bewegung, die unsere Kinder immer dringender nötig haben, doch dabei sitzen sie wieder alleine vor einem Gerät und unternehmen nichts mit Gleichaltrigen." Es fehle der zwischenmenschliche Austausch, und schon jetzt könnten die Kinder nicht mehr miteinander umgehen, so Schmitzberger.

Bei Sonnenschein ins Freie

"Wii Fit"-Erfinder Shigeru Miyamoto selbst will damit beweisen, dass Videospiele nicht nur dick und gewalttätig machen, sondern auch etwas für das Hirn und die Gesundheit tun können, erklärte er jüngst der "Sunday Times". "Ich möchte zeigen, dass Videospiele das Leben bereichern können."

In Japan würden neuerdings Eltern und Kinder über "Wii Fit" reden, erklärte Miyamoto, der darin den Beweis sieht, dass Nintendos erklärtes Ziel, Alt und Jung vor dem Schirm zu vereinen und Spielen zu einem familiären Erlebnis zu machen, aufgegangen ist.

Allerdings schickt auch Miyamoto, wie er zugibt, seine Kinder bei Sonnenschein hinaus ins Freie und lief lieber eine Runde durch den Central Park in New York, wo ihn die "Sunday Times" interviewte, als auf seinem Balance Board. "Aber ich mache meine Dehnübungen mit 'Wii Fit', das funktioniert."

(futurezone | Nadja Igler)