Handyfilme erobern das Fernsehen
Nach Weblogs sollen nun Kamerahandys die Informationsverbreitung im digitalen Zeitalter ankurbeln. Viele TV-Sender zeigten anlässlich der Bombenanschläge in London zwar grobkörnige und unscharfe, aber zweifellos eindrucksvolle Videos, die mit Handys aufgenommen wurden.
Die Sender selbst hoffen damit eine neue Quelle für aktuelles Bildmaterial gefunden zu haben. Man stehe offenbar am Beginn einer neuen Entwicklung, meinte etwa Neil Shapiro, Präsident von NBC News.
Andere sehen darin einen weiteren Schritt zu "hausgemachten" News, also Berichten von Menschen die zufällig vor Ort sind, aber nicht professionelle Reporter sind.
Als erster strahlte der britische Sender Sky News am Donnerstag die Handy-Aufnahme eines Überlebenden aus der Londoner U-Bahn aus, von dort übernahm sie der amerikanische Partner Fox. Die Fernsehnachrichtenagentur APTN verbreitete das Video an weitere Sender.
Auf Amateurvideos setzten die Sender schon bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und nach dem Tsunami am 26. Dezember. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Augenzeuge ein Handy bei sich trägt, ist natürlich ungleich größer - und immer mehr Mobiltelefone sind mit Kameras ausgestattet.

Aktive Suche nach Handyvideos
Nach den Anschlägen sei sein erster Gedanke gewesen, dass irgendjemand die Ereignisse gefilmt haben müsse - vielleicht auch mit dem Handy, so APTN-Nachrichtenchef Sandy MacIntyre.
Die Agenturmitarbeiter seien aufgefordert worden, Augenzeugen gezielt danach zu fragen. Auch mehrere britische Fernsehsender riefen ihre Zuschauer auf, Bildmaterial einzuschicken.
Laut Stuart Thomas, Nachrichtenredakteur bei Independent Television [ITV], waren viele der Videos qualitativ unbrauchbar, doch einige landeten im TV.
Früher hätte es nur Zufallsaufnahmen von Flugschauen oder Hochzeiten gegeben, doch nun trage eine große Zahl von Leuten ein Handy mit Videofunktion ständig mit sich, so Thomas. Das sei eine großartige Quelle. Die besten Videos seien jene aus den Tunnels gewesen, wo man normalerweise nie eine TV-Kamera mit sich hat, wenn so etwas passiert, so Thomas weiter.
Ein weiterer Grund für das Ausweichen der Medien auf die Amateur-Bilder war auch die großräumige Absperrung der Schauplätze für viele Medien. Doch auch die Qualität der Bilder hat sich stark verbessert, zahlreiche Handys haben bereits eine Megapixel-Kamera, einige auch mit Blitzfunktion.

Bürger werden Journalisten
Jonathan Klein vom Nachrichtensender CNN sieht in Amateur-Aufnahmen eine große Chance für die Fernsehberichterstattung: "Es ist viel über die Demokratisierung der Medien durch Blogs und Ähnliches gesprochen worden. Dies ist ein weiteres Beispiel für den Bürger-Journalisten."
Auch die britische BBC sieht eine Wendepunkt. Täglich würden tausende E-Mails mit emotionalen Beschreibungen von Ereignissen wie dem 11. September eingehen, doch diesmal hätten die Bilder die wahre Geschichte erzählt, so Vicky Taylor von der BBC. Aufgrund der Umstände würden die Nutzer die schlechtere Qualität der Aufnahmen akzeptieren.
Allerdings müssen die Sender dafür Sorge tragen, dass die Echtheit der Aufnahmen verifiziert wird. Sky News etwa ließ die Aufnahmen von Video-Technikern gezielt auf Echtheit prüfen.
Beobachter meinen, dass diesmal Bilder und Videos wesentlich schneller und zahlreicher ihren Weg etwa ins Netz gefunden habe, als bei früheren Ereignissen.
Als eine der ersten meldeten sich die Blogger aus London, auf der Suche nach Vermissten und Informationen aus erster Hand.
