Monsterprozess gegen Deutsche Telekom
Auf die Deutsche Telekom rollt eine Klage zu: insgesamt 15.000 Aktionäre behaupten, der Telefonriese hätte den Aktienpreis bei seinen Börsengängen zu teuer platziert.
Beim Vorsitzenden Richter Meinrad Wösthoff am Landgericht Frankfurt stapelt sich die geballte Wut der Anleger in Form einer Papierflut in zwei extra dafür eingerichteten Aktenräumen.
Am Dienstag wird Richter Wösthoff beginnen, zehn Klagen als Musterverfahren abzuarbeiten. Schon jetzt ist klar: Dieser Mammutprozess ist beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - juristisch und logistisch.
Die Aktionäre werfen dem Bonner Telefonriesen vor, den Wert der Immobilien vor dem ersten Börsengang wissentlich zu hoch angesetzt zu haben. Die Angaben in den Verkaufsprospekten für alle drei Tranchen 1996, 1999 und 2000 seien daher geschönt gewesen. Die Aktionäre hätten für das als Volksaktie gepriesene Papier zu viel bezahlt.
Anleger wollen 100 Mio. Euro
Die DT bestreitet dies, auch wenn sie Anfang 2001 ihren 1995
festgelegten Wert für den Bestand an Grund und Boden deutlich
abwertete, was die T-Aktie weiter auf Talfahrt schickte. Nun
verlangen die Anleger ihr Kapital nebst Kosten zurück, alles in
allem rund 100 Millionen Euro.
Deutsche Telekom zahlt wieder Dividende630 Anwälte vertreten 15.000 Kläger
Der Unmut ist groß. Verständlich, ging doch bei vielen ein Großteil der Ersparnisse mit dem Kurssturz der T-Aktie den Bach runter. 15.000 Kläger und ihre 630 Anwälte haben Richter Wösthoff mit Schriftsätzen bombardiert und jeden verklagt, der irgendwie mit dem Börsengang zu tun hatte: die DT und ihren damaligen Chaf Ron Sommer, die Bundesrepublik, die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Konsortialbanken wie die Deutsche Bank.
Kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist im Mai 2003 drohte die Justiz unter dem Ansturm zu kollabieren: Der Briefkasten des Frankfurter Landgerichts war tagelang verstopft, die Faxgeräte quollen über oder brachen zusammen, die Mitarbeiter schoben Überstunden.
Nachdem sich zahlreiche Aktionäre zusammengeschlossen haben, muss Wösthoff letzlich 2200 Klagen abarbeiten. Allein, denn laut deutschem Recht ist er als einziger für die Schadenersatzklagen gegen die DT zuständig. "Der kann einem schon leid tun", sagt Anwalt Peter Gundermann von der Kanzlei Tilp, die selbst mehr als 300 enttäuschte Aktionäre vertritt.
Auch Schlichtungsstelle ist überlastet
Und es könnten noch viel mehr werden: Weitere 17.000 Aktionäre
haben ein Güteverfahren bei der Öffentlichen Rechtsauskunfts- und
Vergleichsstelle Hamburg angemeldet. Da sich die Deutsche Telekom
jedoch nicht außergerichtlich einigen will, könnten viele nun
zusätzlich den Klageweg beschreiten.
Staat fährt DT-Beteiligung zurückErmittelt seit fünf Jahren
Die Bonner Ermittler sind der wundersamen Wertevermehrung der Telekom-Immobilien vor dem Börsengang seit fast fünf Jahren auf der Spur. Sie halten die damals angewendeten Bewertungsmethoden für "höchst bedenklich". Ob das auch strafrechtliche Konsequenzen hat, bleibt abzuwarten.
Schon jetzt zeigt das Verfahren, dass weder das deutsche Recht noch die Gerichte auf ein solches Massenverfahren eingerichtet sind, schon weil Sammelklagen wie in den USA in Deutschland unmöglich sind.
