Unbehagen zum Start von SEPA
Mit der Einführung der Single Euro Payments Area [SEPA] sollen Überweisungen im Euro-Raum einfacher werden. Doch die Zweifel in der Branche an der Sicherheit und Rentabilität des Systems werden lauter.
Am kommenden Montag startet die Deutsche Bank mit gut 100 Firmen sowie Kunden aus dem Bereich Financial Institutions in den europaweiten Zahlungsverkehrsraum SEPA ["Single Euro Payments Area"].
Von der Vereinheitlichung des europäischen Zahlungssystems verspricht man sich eine schnellere und kostengünstigere Abwicklung von Überweisungen innerhalb Europas. So sollen Buchungen quer durch Europa bis 2012 spätestens am Ende des nächsten Werktages auf dem Empfängerkonto sein, derzeit darf das noch zwei Tage länger dauern.
Banker wenig begeistert
Zusätzlich sollen Überweisungen billiger werden, da der verstärkte europaweite Wettbewerb die Preise drücken werde, so die offizielle Lesart.
Das größte deutsche Finanzhaus Deutsche Bank bietet denn auch den Firmenkunden den SEPA-Zahlungsverkehr zum Inlandstarif an und lockt so mit direkten Kosteneinsparungen für Unternehmen. Das Vorpreschen der Deutschen Bank in Sachen SEPA ist also in erster Linie als Maßnahme zur Akquisition von Neukunden zu werten. Denn daran, ob die SEPA-Rechnung - sinkende Preise und schnellere Überweisungen durch europaweiten Wettbewerb - so direkt aufgeht, bestehen erhebliche Zweifel.
Bei den von ORF.at dazu befragten deutschen und österreichischen Experten aus dem Finanzbereich zeigte sich durch die Bank auffällig wenig Begeisterung für SEPA. Die Aussicht auf noch mehr Wettbewerb ist weit weniger Thema als Aspekte, die in der Öffentlichkeit bis jetzt zu wenig berücksichtigt werden.
Vernetzung Europas
SEPA ist ein einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum, in dem alle Zahlungen wie inländische Zahlungen behandelt werden. Im SEPA wird nicht mehr - wie derzeit - zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Zahlungen unterschieden.
Nutzer von Zahlungsverkehrsdienstleistungen können im SEPA bargeldlose Euro-Zahlungen von einem einzigen Konto vornehmen. Ziel von SEPA ist, schrittweise Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen in Europa zu standardisieren. Zudem wird es einen einheitlichen europäischen Kartenmarkt geben.
SEPA umfasst die 27 Mitglieder der Europäischen Union sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz.
Umstellung in Krisenzeiten
Dass ausgerechnet in Zeiten einer durch den Crash des US-Immobilienmarkts ausgelösten weltweiten Schieflage im gesamten Finanzsektor nun erhebliche Kosten durch die SEPA-Umstellung auf Europas Banken zukommen, hielt keiner der befragten Experten für eine wirklich gute Idee.
Die Deutsche Bank bezifferte die Umstellungskosten mit einem "niedrigen zweistelligen Millionenbetrag" ohne genauer zu spezifizieren, ob es sich dabei um die erwartenden Gesamtkosten handelt oder lediglich um die Kosten des Pilotprojekts.
250 Millionen Euro Umstellungskosten
Bei den österreichischen Banken geht man von insgesamt 250 Mio. Euro aus, die für die Umstellung anfallen. Geändert wird nämlich das gesamte Datenformat, der bisherige Standard UN/EDIFACT, der mit dem Start des Euro eingeführt wurde, wird durch das Universal Financial Industry Message Scheme [UNIFI], ersetzt.
Dieses XML-Schema nach dem Standard ISO 20022 wurde vom zuletzt wegen Übermittlung europäischer Überweisungsdaten an US-Geheimdienste ins Gerede gekommenen Finanzdienstleister SWIFT bei der ISO zur Standardisierung eingereicht.
Dienstleister: SWIFT
Über SWIFT laufen auch die gesamten SEPA-Daten, und das ist bereits der nächste Punkt, der Skepsis auslöst. Die internationale Finanzdatenzentrale SWIFT spiegelt sämtliche Daten in einem Rechenzentrum in den USA. Dort wird bekanntlich ein Teil der Datensätze ohne Einschaltung eines ordentlichen Gerichts von US-Behörden durchsucht.
SWIFT versucht schon seit längerem, sein Engagement bei SEPA von diesen Aktivitäten abzugrenzen. Bei einem Gespräch mit ORF.at im Juni 2007 sagte SWIFT-Chef Francis Vanbever, dass es sich bei den SEPA-Transaktionen um Durchlaufposten handle, die nicht abgespeichert werden würden.
Warnung vor Industriespionage
Schon im Mai 2007 hat das österreichische Finanzministerium vor einem Eindringen von US-Diensten in die heimische Wirtschaftsstruktur via SEPA und SWIFT gewarnt. Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter [SPÖ] gab seinerzeit zu Protokoll, dass der Wirtschafts- und Industriespionage damit "Tür und Tor geöffnet" werden würden.
Im Oktober 2007 hat SWIFT angekündigt, eine Operationszentrale in der Schweiz zur Verarbeitung der EU-Transaktionsdaten aufbauen zu wollen.
Höhere Kosten fürs Handling
Ein dritter Punkt, der im öffentlichen Diskurs über das neue europäische Finanztransfersystem kaum beachtet wird, ist die Qualität der neuen Daten. Das betrifft vor allem ihren Umfang, aber auf zweierlei Art.
Da statt der ausgesprochen schlanken Datensätze des UN/EDIFACT-Systems bald die wesentlichen voluminöseren XML-Datensätze prozessiert und gespeichert werden müssen, werden auch die Kosten für Datenleitungen und Speicherung steigen.
Im Juni 2007 von ORF.at befragte Experten der Erste Bank und der Raiffeisen Zentralbank gaben der Hoffnung Ausdruck, dass sich die europäischen Preise für Überweisungen mittelfristig auf das vergleichsweise niedrige österreichische Niveau anpassen würden.
Fehlerträchtige Zahlenkolonnen
Spätestens dann, wenn die Umstellung den Endverbraucher verfasst, werden die Fehlerraten bei Überweisungen steigen. Statt der bisherigen Kontonummer und Bankleitzahl sind dann die internationale Kontonummer [IBAN] und die internationale Bankleitzahl [BIC] einzutragen.
Da auch bei Inlandsüberweisungen in Hinkunft weitaus mehr Zahlen eingegeben werden müssen, weil eine IBAN aus bis zu 32 Stellen bestehen kann, steigt die statistische Wahrscheinlichkeit eines Fehlers.
(futurezone | Erich Moechel | dpa)