Mobilfunkwerbung übertreibt zu wenig
ORF.at hat mit Konsumentenschutzministerium und VKI über ihre Klage gegen Mobilfunkbetreiber und über die Grenze zwischen irreführender Werbung und branchenüblicher Marktschreierei gesprochen. Letztere ist nämlich erlaubt - solange sie offensichtlich genug übertreibt.
Am Dienstag berichtete die ORF-Sendung "konkret" über die Entscheidung des Konsumentenschutzministeriums, die Mobilfunkunternehmen One, tele.ring [gehört zu T-Mobile] und Hutchison ["3"] wegen irreführender Werbung vom Verein für Konsumenteninformation [VKI] klagen zu lassen.
Ab wann eine Werbekampagne aber die Grenzen zwischen Irreführung und der in der Kommunikationsbranche üblichen marktschreierischen Übertreibung überschreitet, ist immer noch nicht ganz ausjudiziert. "Eine fixe Grenze gibt es da nicht", sagt Ulrike Docekal, Mobilfunkexpertin beim VKI, auf Anfrage von ORF.at.
Irreführender Blickfang
"Die Irreführung besteht darin, den Konsumenten eine falsche Vorstellung von der Wirklichkeit zu vermitteln", sagt Beate Pirker-Hörmann, Abteilungsleiterin im Konsumentenschutzministerium. "Wenn man etwa Käfigeier mit Bildern von freilaufenden glücklichen Hühnern bewirbt. Oder ein Insektenschutzmittel als 'neu' präsentiert, obwohl nur das Lösungsmittel verändert wurde, aber nicht der eigentliche Wirkstoff."
Bei den Mobilfunkern sei die Blickfangwerbung problematisch, so Pirker-Hörmann. "Es steht ganz groß '3 Cent in alle Netze' da, aber im Kleingedruckten ist dann irgendwo vermerkt, dass aus dem Angebot bestimmte Netze ausgenommen sind." Die Blickfangwerbung funktioniere so, dass sie den Konsumenten über die Anmutung, dass da etwas nicht stimmen könne, ins Kleingedruckte ziehe. "Da wird ein Aspekt des Angebots herausgehoben, der nicht hält, was er verspricht." Das entscheidende Merkmal irreführender Werbung sei, dass über den Blickfang ein falscher erster Eindruck erweckt werde.
Ulrike Docekal verortet übrigens die Lücken in der Rechtssprechung vor allem in den Regeln für die Gestaltung von TV-Spots. Hier komme es besonders häufig vor, dass die Unternehmen das Kleingedruckte zu winzig oder zu kurz zeigen. Dazu kämen auch noch die Unterschiede zwischen Tonspur und Bild.
"Fair Use"
Nicht unproblematisch sei auch die Verwendung von Fachjargon in der Werbung. "Es gibt da diesen Ausdruck 'Fair Use', der eigentlich von Breitband-Internet-Anbietern geprägt wurde", sagt Docekal. "Dort bedeutet er, dass die Anbieter den Kunden beim Download-Volumen einen gewissen Spielraum lassen und ihnen auch vorher mitteilen, wenn sie dabei sind, den Spielraum zu stark auszunutzen. Die Mobilfunker verwenden den Begriff aber ganz anders. Sie legen einseitig ein Limit fest, nach dem 'Fair Use' 1.000 Freiminuten sind. Was soll daran fair sein, wenn der Anbieter dann einseitig den Vertrag mit Strafe beendet? Das geht auch nicht."
Das Konsumentenschutzministerium habe den VKI mit der Klagsführung aufgrund von Beschwerden aus der Bevölkerung beauftragt, so Pirker-Hörmann. Wie viele Beschwerden konkret eingegangen seien, konnte die Abteilungsleiterin auf Anhieb nicht sagen, man führe darüber keine Statistik.
Absenz der mobilkom
Auffällig ist, dass mit der mobilkom austria der wichtigste Anbieter auf dem österreichischen Mobilfunkmarkt von der vorweihnachtlichen Klage verschont blieb. "Wir haben uns auch A1 angeschaut", sagt Pirker-Hörmann, "und hatten auch dort gesehen, dass A1 bei einem Angebot nicht auf das Aktivierungsentgelt hingewiesen hatte. Aber der Anbieter hat dann vor der Klage noch die Werbung geändert. Die Strategie war nicht mehr zweifelsfrei inkriminierbar."
"Auch gegen die mobilkom gab es mehrere Klagen von uns", sagt Docekal und verweist ihrerseits auf ein Verfahren, das der VKI 2006 gegen die mobilkom wegen fehlender Informationen über eine Freischaltungsgebühr in Höhe von 49 Euro geführt habe.
Borderline-Werbung
Eine Möglichkeit bleibt den werbenden Mobilfunkern allerdings doch noch: Sie brauchen nur derart schamlos zu übertreiben, dass es auch wirklich jeder merkt. "Wenn jeder erkennt, dass es sich bei einer Werbeaussage zweifelsfrei um eine Übertreibung handelt, dann ist es in Ordnung", sagt Pirker-Hörmann. "Wenn jemand mit 'konkurrenzlosen Preisen' wirbt, dann nimmt kein Mensch an, dass es sich dabei um etwas Ernstes handelt."
Eine Logik, auf die sich auch die beschuldigten Mobilfunker gerne zurückziehen, die aber nicht wirke, wenn die "ergänzenden" Informationen zu gut versteckt seien.
Aber auch das Übertreiben will gekonnt sein. Pirker-Hörmann: "Die Judikatur sagt, dass Unklarheit in einer Werbeaussage immer zulasten des Unternehmers geht." Versteht also ein Konsument die Übertreibung nicht, kann sich ein Unternehmen auch mit dieser Strategie exponieren.
(futurezone | Günter Hack)