Linux gewinnt Marktanteile am Desktop
Nachdem Linux in den letzten Jahren vor allem im Serverbereich Fuss gefasst hat, beginnt nun der Angriff auf den Desktop.
Linux für den Endanwender - bis vor kurzem eine Kontradiktion: Neben der Umlernphase war die mangelnde Verfügbarkeit von gewohnten Anwendungen der Hauptgrund für die schwache Verbreitung.
Doch eine aktuelle IDC-Studie, die erst in den nächsten Wochen veröffentlicht werden soll, weist für Linux am PC-Sektor einen Marktanteil aus, der über dem von Apples MacOS liegen soll. 3,2 Prozent aller PCs laufen demnach unter Linux - bis 2007 soll dieser Wert auf 6 Prozent steigen.
Dies ist immer noch extrem klein, verglichen mit Microsofts 94 Prozent Anteil. Dennoch ist ersichtlich, dass Linux langsam als Alternative zu Windows heranreift.
Unterstützung von verschiedensten Seiten
Linux hat in der letzten Zeit gewaltige Unterstützung von
verschiedensten Seiten erhalten. Im November erklärte China,
interessant aufgrund seines rasant wachsenden Marktes, Linux als
Betriebssystem der Wahl. Seit 1. Jänner will die israelische
Regierung Windows-PC langsam durch Linux-Rechner ersetzen. IBMs CEO
Samuel J. Palmisano schlug letztes Jahr seinem eigenen Unternehmen
vor, die Desktops doch komplett auf Linux umzustellen.

43 Prozent der Unternehmen erwägen Umstellung
Dutzende größere Unternehmen könnten seinem Beispiel folgen. In einer Umfrage durch Merrill Lynch & Co gaben 43 Prozent der befragten Unternehmen an, den Ersatz von Windows durch Linux zu erwägen. "Ich hatte zwar erwartet, dass Behörden interessiert sind, doch jetzt ist Linux am Radar von IT-Chefs in Unternehmen", so Merrill-Lynch-Analyst Steven Milunovich.
Mehrere Faktoren sind für den Linux-Überraschungserfolg ausschlaggebend. Die erhältliche Software wird ständig besser, das Betriebssystem selbst ist günstig oder gratis. Auch die Einführung des "Java Desktop System" durch Sun, das StarOffice sowie Browser- und E-Mail-Funktionalitäten beinhaltet, gab dem freien Betriebssystem Auftrieb. Das Fehlen von Viren am Linux-Desktop gilt als weiteres Plus.
Obwohl Linux mit wachsendem Interesse überhäuft wird, kann es die Marktmacht von Windows noch lange nicht brechen. Windows ist weltweit auf immerhin 400 Millionen PCs installiert. Die 24 Prozent Marktanteil von Linux am Servermarkt haben im Desktop-Sektor kaum Relevanz.
Eine Umstellung ist aufwendig und könnte die anfänglichen Kostenvorteile wieder zunichte machen. Immerhin müssen nicht nur das Betriebssystem, sondern auch die Anwendungen darauf gewechselt werden. So meint etwa der IT-Chef von General Motors, er evaluiere zwar Linux als Alternative, aber "es wäre verdächtig, würde der Umstieg in einer großen Organisation leicht fallen".
Microsoft steuert gegen
Microsoft setzt inzwischen alle seine Anstrengungen daran, die
Kronjuwelen zu schützen. Das Unternehmen hat bereits einige Studien
finanziert, die besagen, dass der Umstieg auf Linux auf lange Sicht
mehr kostet. Bei Großkunden strengt sich Microsoft noch mehr an. Als
die Stadtverwaltung von München drohte, 14.000 PCs auf Linux
umzustellen, wurde der Preis um ein Drittel gedrückt; Steve Ballmer
stattete den Renitenten sogar einen persönlichen Besuch ab. Die
Stadtverwaltung setzte dennoch auf Linux. Inwiefern das Projekt ein
Erfolg wird, wird sich weisen. Im Moment kämpft München mit
Umstellungsproblemen.

Derzeit hat das Erwachen von Linux am Desktopmarkt noch keine Auswirkungen auf Windows. Sobald der Marktanteil jedoch in die Nähe von zehn Prozent kommt, würde dies Microsoft wehtun, so Analysten.
Die neuen Linux-Anwender am Desktop werden kaum typische Büromitarbeiter sein - zu gross ist die Vielfalt der Anwendungen, die auf den derzeitigen Windows-PCs laufen. Vielmehr werden Unternehmen die Arbeitsplätze umstellen, die nur wenige spezialisierte Anwendungen benötigen. Dies betrifft Aktienhändler, Bankangestellte, Techniker, Kundendienstmitarbeiter sowie Lagerarbeiter.
So verwendet etwa Cole National Linux in 1.700 Pearle Brillen-Filialen. Delta Air erwägt, die Rechner am Checkin-Schalter auf Linux umzustellen.
Der Markt ist riesig. Microsoft schätzt die Anzahl der typischen White-Collar-Worker in den USA auf 40 Mio. Arbeitsplätze, während die breitere Desktop-Markt mit 117 Mio. beziffert wird. Kein Wunder, dass sich Linux-Anbieter wie IBM, HP, Sun und Novell auf den letzteren Markt konzentrieren. IBM, bis dato stark im Linux-Servermarkt vertreten, hat letztes Jahr einen Geschäftsbereich ins Leben gerufen, der sich mit Linux-Desktopsoftware in spezialisierten Anwendungsbereichen beschäftigt.