Surfen ohne Hindernisse

04.04.2007

Behinderte Menschen stoßen im Internet häufig auf technische Hindernisse, die es ihnen unnötig schwer machen, an wichtige Informationen zu kommen. Bisher kümmern sich nur wenige Website-Betreiber um einen barrierefreien Zugang zu Informationen und Dienstleistungen.

Sozialminister Erwin Buchinger [SPÖ] hat erst vergangene Woche die UNO-Konvention für die Rechte von Behinderten unterzeichnet. Darin ist unter anderem die uneingeschränkte Zugänglichkeit von Informationen für behinderte Netznutzer festgelegt.

Denn gerade die Gruppe der sehschwachen und blinden User profitiert vom Internet als Informationsquelle. Mit Hilfe von Vergrößerungstools, Screen-Reader-Software und Braille-Ausgabegeräten sind sie im Netz unterwegs.

Barrieren sperren Nicht-Sehende jedoch noch von vielen Websites aus, etwa eine grafische Navigationen ohne Alternativtexte. Auch zu kleine Schriftarten, eine unklare Farbwahl und mangelnde Kontraste bereiten sehschwachen und älteren Menschen Probleme.

Captchas

Auch "Captchas", kleine Bilder mit verschieden großen, oft verschwommenen Buchstaben und Zahlen, zum Ausfiltern von Bots stellen für Sehschwache ein unüberwindbares Hindernis dar.

Barrierefrei-Empfehlungen seit 1999

Bereits seit 1999 gibt es Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung von Websites, die für jeden Benutzer lesbar und bedienbar sind. Die Web Content Accessibility Guidelines [WCAG] der Web Accessibility Initiative [WAI] legen fest, wie eine Website aufgebaut sein muss, damit sie für jedermann zugänglich ist. Design-Einschränkungen gibt es dabei nicht.

Die technische Umsetzung der Richtlinien kommt jedoch erst langsam in Schwung.

"Derzeit sind erst eine Hand voll Websites barrierefrei," sagt Eva Papst, blinde Internet-Expertin aus Wien und Betreiberin der Plattform "WAI-Austria". "Oft liegt es daran, dass man schlicht nicht weiß, wo die Hindernisse liegen und wie man es besser machen kann. Erfahrungsgemäß ist die Kooperationbereitschaft aber sehr groß. Gute Ideen werden auch umgesetzt."

"Positiv hervorzuheben ist etwa der Webauftritt der Stadt Wien, der vorbildlich gemacht ist. Dort hat man schon sehr früh begonnen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen, und das war das Erfolgrezept", so Papst.

Bei den WAI-Empfehlungen unterscheidet man zwischen drei Konformitätsstufen: die Minimalerfüllung "A", die nächste Priorität "Double-A" und der höchstmögliche Standard "Triple-A".

Barrierefrei im Online-Alltag

Ihre alltäglichen Geschäfte wie den Bahnticketkauf, Überweisungen und Amtswege können Behinderte derzeit nur mit Einschränkungen online erledigen.

So entspricht die ÖBB-Website bisher nur in Teilen dem WAI-A-Standard. Der Online-Ticketkauf ist derzeit noch nicht barrierefrei, durch die Zusammenarbeit mit anderen ausländischen Bahnkonzernen bei diesem Service muss eine Umstellung erst koordiniert werden.

Im Lauf der nächsten drei Jahre wollen die ÖBB das gesamte Angebot nach WAI-Doppel-A gestalten.

Wegbeschreibungen bei den Wiener Linien

Die Wiener Linien haben ihr barrierefreies Angebot für die Nutzung per Handy [Symbian-Browser] mit dem Sprachprogramm Talks optimiert.

Auf WL-Barrierefrei.at findet sich neben der Fahrplanauskunft unter anderem ein laufend aktualisiertes, detailliertes Wegbeschreibungssystem, das von jedem U-Bahnsteig von der Ausstiegsstelle zu den Ausgängen und Umstiegsstellen führt.

In Zusammenarbeit mit dem Blindenverband wird das Angebot laufend erweitert. Im Februar 2008 soll im Rahmen eines Relaunch das gesamte Webportal WAI-konform gestaltet werden.

Barrieren-Abriss bei der Krankenkasse

Beim Webauftritt der Sozialversicherung sind vorerst nur die neuesten Applikationen, etwa der elektronische Pensionsantrag, WAI-konform gestaltet.

Bis zum Herbst wird die gesamte Portalinfrastruktur zu hundert Prozent barrierefrei [WAI Triple A] gestaltet. Darüber hinaus sollen auch hier eigene Erfahrungen in Zusammenarbeit mit dem Blindenverband einfließen.

Bei den Online-Bankgeschäften kommt der Faktor Sicherheit erschwerend hinzu. Grafische Lösungen wie die Eingabe von iTANs zur Absicherung des Online-Banking erschweren den barrierefreien Zugang.

Behörden-Websites bis 2008 barrierefrei

Mit Help.gv.at konnte im letzten Jahr erstmals eine österreichische Behörden-Website den "BIENE"-Award, eine Prämierung der besten deutschsprachigen barrierefreien Websites, einheimsen.

Für alle anderen österreichischen Behörden-Websites tickt die Uhr. Laut E-Government-Gesetz müssen spätestens bis 1. Jänner 2008 alle behördlichen Internet-Auftritte in Österreich für behinderte Menschen barrierefrei zugänglich sein.

Auch das News-Portal www.bizeps.or.at und die Website des jüdischen Museums www.ojm.at haben in den Jahren zuvor bereits eine bronzene Biene gewonnen.

Uneingeschränkter Zutritt bei Amazon

Zuletzt hatte auch das E-Commerce-Schwergewicht Amazon angekündigt, seine Plattform in Kooperation mit der National Federation of the Blind [NFB] barrierefrei für den uneingeschränkten Zugang von sehschwachen und blinden Menschen zu gestalten.

Von der viel zitierten Barrierefreiheit ist das Internet derzeit zwar noch weit entfernt, die Zahl der uneingeschränkt zugänglichen Websites nimmt aber zu.

Denn schließlich will sich kein Website-Betreiber der großen Nutzergruppe der Sehschwachen verschließen.

Mit einer Reihe von Online-Tools wie Watchfire WebXM, WAVE und Cynthia Says kann man die Barrierefreiheit seiner Website überprüfen lassen.

Österreichische Accessibility-Beratung

Die österreichweite Plattform accessible media - Zugang für alle ist ein Netzwerk von ExpertInnen zum Thema barrierefreies Internet, die Relaunches in Richtung bessere Accessibility beraten, begleiten und begutachten.

(futurezone | Beate Zaussinger)