
"Musik-Business muss viel kreativer werden"
Am Sonntag hat die Musikmesse MIDEM in Cannes begonnen. Auf dem begleitenden Kongress MIDEMNET suchen Branchenvertreter seit Samstag zum elften Mal nach neuen Wegen, im Zeitalter von Filesharing weiterhin Geld zu verdienen. Die Branche müsse dabei wieder kreativer werden, forderte etwa Ed O'Brien von Radiohead.
Die Branche habe mittlerweile erkannt, dass "es nicht unser Geschäft ist, Plastikscheiben zu verkaufen", wie Simon Wheeler vom britischen Label "Beggar's Group" sagt. Überhaupt habe das Musikbusiness "ein bisschen ein Problem: Das, was wir verkaufen wollen, kauft keiner mehr", sagte Hal Ritson von der Band The Young Punx.
Denn Musik selbst "hat zwar Wert", wie zahlreiche Diskutanten und Redner des ersten MIDEMNET-Tages betonten. Aus diesem jedoch Kapital zu schlagen, verlangt Kreativität.
"Spaß ist verloren gegangen"
In einer Video-Ansprache sagte Ed O'Brien von Radiohead etwa, dass die Labels die Künstler mehr in die Diskussion um neue Geschäftsfelder einbinden sollen und dass die Musikindustrie "wieder viel kreativer werden muss. Das Problem ist, dass die Kreativität und der Spaß verloren gegangen sind. Die Musikindustrie wird heute vom Geld bestimmt. Heute führen die Geldmenschen die Musik-Unternehmen. Früher machten das die Kreativen."
O'Brien findet es "fantastisch, dass wir heute in dieser großen Unsicherheit leben. Es gibt eine gewaltige Spanne für massive Innovation und Kreativität. Genau das ist es, was diese Industrie braucht."
Mehr zum Thema "Three Strikes Out":
Radiohead, die mit innovativen Vertriebswegen bei ihrem Album "In Rainbows" für Aufsehen gesorgt haben, wünschen sich auch die Berücksichtigung von alternativen Ansätzen: Wenn man sich gegen das sogenannte "Three Strikes Out"-Gesetz ausspreche, nach dem in Frankreich und künftig in Großbritannien Internetnutzern nach Urheberrechtsvergehen der Internetzugang gekürzt werden soll, "wird man als Taliban hingestellt. Buchstäblich."
Downloads von Musik als "Kostproben"
Erfolgsproduzent und -Musiker Pharrell Williams sieht unlizensierte Downloads von Musik als "Kostproben", die man den Menschen "zugestehen" müsse: Denn dadurch könnten Musikfreunde neue Musik entdecken, die sie dann "wirklich lieben", so Williams. Die Musikindustrie müsse die "neuen Technologien annehmen, denn man kann sie nicht kontrollieren", so Williams.
Mehr Hörer über Streaming-Plattformen
Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen wird zudem so manches Vorurteil über den Haufen geworfen: Das am stärksten wachsende Segment des Musikbusiness etwa war 2009 die Vinyl-Schallplatte, erzählt Terry McBride vom kanadischen Label Nettwerk Music. Außerdem hätten mehr Menschen im vergangenen Monat Musik über eine legale Streaming-Plattform gehört als Musik über Filesharing getauscht haben, fügt Jasper Donat von "Music Matters" hinzu.
Der englische Geschäftsführer des Musik-Streaming-Dienstes Spotify, Paul Brown, erklärte am Samstag, dass der Dienst derzeit über 250.000 zahlende Abonennten in sechs Ländern verfüge.
Nutzerbasierte "Lizenz zum Hören"
"Die Welt geht in Richtung eines Nutzungs-basierten Modells", erklärte Wheeler. "Das wird passieren. Wir müssen unser Business danach ausrichten." So soll das Musikgeschäft auf den Kopf gestellt werden: Nicht mehr die Datei wird verkauft, sondern der Käufer erhält gegen Entgelt die Lizenz zum Hören. Wie er diese einsetzt, bleibt ihm überlassen: Der jeweilige Song solle aus der Cloud über "so viele Angebote wie möglich" zum Kunden kommen.
Die Musikindustrie setzt zudem auf den iPod-Hersteller Apple. MIDEMNET-Gerüchten zufolge soll bei der Produktpräsentation auch ein Streaming-Modell vorgestellt werden. Paul Brindley von Music Ally meint dazu: "Alles zeigt in Richtung Wolke. Apple kann das durchsetzen - und Apple muss diesen Schritt machen."
Besucherrückgang bei Messe erwartet
Unterdessen erklärte die MIDEM-Direktorin Dominique Leguern am Sonntag vor der Eröffnung der internationalen Messe, die bis zum Mittwoch dauert, dass sie einen Teilnehmer - und Besucher-Rückgang von etwa 13 Prozent erwarte. Im Vorjahr waren 8.000 Messe-Besucher verzeichnet worden. Die Messe reflektiere den Wandel in der Musikbranche und sei daher "stark fokussiert auf das Digitale", so Leguern.
(APA/futurezone)