
Deutschland blockiert SWIFT-Abkommen
Laut deutschen Medienberichten wird die schwarz-gelbe Regierung die Unterzeichnung des Finanzdaten-Transferabkommens mit den USA blockieren. Auch Frankreich und Österreich sind dagegen. Datenschützer weisen darauf hin, dass die Daten zur Wirtschaftsspionage genutzt werden könnten.
Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat erhebliche Bedenken gegen das geplante EU-Abkommen über die Übertragung von Finanzdaten in die USA geäußert. "Die Bundesregierung steht dem SWIFT-Abkommen sehr distanziert gegenüber", sagte sie der "Berliner Zeitung" laut Vorabmeldung. Hintergrund sind Pläne, US-Terrorfahndern dauerhaft Zugriff auf Daten europäischer Bankkunden zu sichern.
Deutsche Medien wie die "Frankfurter Rundschau" berichteten am Freitag unter Berufung auf Regierungskreise, dass die Bundesregierung dem Abkommen im Ministerrat nicht zustimmen werde. Damit wäre der Plan, es noch vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags zu unterzeichnen, gescheitert, zumal die Entscheidung in diesem Gremium einstimmig fallen müsste. Auch Österreich und Frankreich sperren sich gegen die Unterzeichnung, die für den 30. November geplant ist.
"Ich halte es für ganz unglücklich, dieses Abkommen in der EU einen Tag vor dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages noch schnell nach den alten Regeln durchzupeitschen", sagte die Ministerin. "Das würde das EU-Parlament brüskieren." Leutheusser-Schnarrenberger verwies darauf, dass das EU-Parlament dem Abkommen kritisch gegenübersteht und mit dem Lissabon-Vertrag, der am 1. Dezember in Kraft tritt, ein Miteinscheidungsrecht erhält.
Fehlender Rechtsschutz
Die Justizministerin hat nach eigenen Worten auch gegen inhaltliche Regeln Vorbehalte. "Nach wie vor sehe ich den Umfang der Datenweitergabe an die USA und die fehlenden Rechtsschutzmöglichkeiten kritisch." Deshalb werde sich Schwarz-Gelb in den Gremien in Brüssel weiter für klare Regeln und einen effektiven Rechtsschutz einsetzen.
Auch bei Datenschützern regt sich Widerstand. Der Leiter des Datenschutzzentrums Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, warnte in der "Frankfurter Rundschau" vor dem unbegrenzten Zugriff auf europäische Bankdaten. "Die Bedenken sind gewaltig", sagte er. "Es besteht de facto keine Kontrolle darüber, was die US-Behörden mit den Daten machen."
Unkontrollierte Zugriffe
So gebe es die begründete Befürchtung, die USA nutzten die Daten für Wirtschaftsspionage zugunsten eigener Unternehmen. "Wir haben es hier mit unkontrollierten und rechtlich nicht überprüfbaren Eingriffen ins Recht auf Datenschutz zu tun - das ist nach europäischem Rechtsverständnis verfassungswidrig."
Bisher greifen US-Ermittler Bankdaten aus einem Rechenzentrum des Finanzdienstleisters SWIFT ab, der für die Abwicklung internationaler Überweisungen zuständig ist. Ab Ende dieses Jahres will SWIFT innereuropäische Finanztransaktionen aber nur noch über Rechenzentren in Europa abwickeln.
Auch andere Finanzdienstleister betroffen
Nach dem vorliegenden Vertragsentwurf wären neben SWIFT künftig auch andere Finanzdienstleister gezwungen, Daten bereitzustellen, sofern die jeweilige Regierung die US-Anfrage für berechtigt hält. Neben Kontonummer und Namen von Sender und Empfänger der Überweisung könnten dem Entwurf zufolge auch die Adressen "und andere persönliche Daten" übermittelt werden, und zwar ohne richterliche Kontrolle.
Dieser von der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft ausgehandelte Entwurf stößt bei mehreren Regierungen auf Bedenken. Die EU-Kommission hielt dem zuletzt entgegen, dass das derzeit ausgehandelte Abkommen nur auf ein Jahr beschränkt sei.
Am Donnerstag hatten sich auch führende Politiker der österreichischen Regierungskoalition gegen das Abkommen in seiner derzeitigen Form ausgesprochen. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und auch die Leiter der EU-Parlamentsdelegationen von SPÖ und ÖVP, Hannes Swoboda und Ernst Strasser, monierten die fehlenden Datenschutzbestimmungen. Strasser und Swoboda kritisierten scharf, dass das Parlament kurz vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon von Kommission und Rat in Sachen Datenübertragung übergangen werde.
(AP/APA/futurezone)