
SWIFT: "Obama hat den Laden nicht im Griff"
Ernst Strasser (ÖVP), Unterhändler des EU-Parlaments in Sachen Finanzdatenübermittlung in die USA, zeigt sich im Gespräch mit ORF.at besorgt. Unter der Regierung von Präsident Barack Obama habe sich an der harten Haltung der USA in Überwachungs- und Datenschutzfragen nichts geändert. Strasser warnt vor neuen Eingriffen in die Bürgerrechte und vor einer weiteren Verschärfung der US-Einreisebestimmungen.
"Persönlich bin ich überaus ernüchtert, ja eigentlich darüber erschreckt, dass sich im Bereich 'Homeland Security' so gar nichts verändert hat", sagte Strasser, Fraktionsführer der ÖVP-Delegation im EU-Parlament, am Mittwoch zu ORF.at. Strasser ist auch Sprecher der konservativen Fraktion des Parlaments in der umstrittenen Frage der Übermittlung von Finanzdaten des europäischen Dienstleisters SWIFT in die USA.
Die Ernüchterung resultiert für Strasser, der den wichtigen Parlamentsausschüssen "Äußere Angelegenheiten" und "Sicherheit" angehört, aus dem Auseinanderklaffen von politischen Ansagen und der Praxis. In Abkehr von der Bush-Doktrin - Terrorbekämpfung um jeden Preis - habe Obama mehrfach angekündigt, bei der Verfolgung von Terrorismus und Kriminalität strikt auf die Bürgerrechte zu achten.
Das neue Abkommen:
Das deutsche Bürgerrechtler-Weblog Netzpolitik.org veröffentlichte am Mittwoch einen Entwurf des Bankdatenabkommens zur Terrorbekämpfung. Berichten der "Financial Times Deutschland" zufolge versucht die schwedische EU-Ratspräsidentschaft, das Abkommen noch vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags unterzeichnen zu lassen. In dem von Netzpolitik.org veröffentlichten Dokument ist angeführt, dass es keinen automatisierten Datenabgleich zwischen EU und USA geben darf, die Anfragen müssen "manuell" gestellt und dürfen ausschließlich zur Terrorbekämpfung verwendet werden. Einen Richtervorbehalt gibt es allerdings nicht, die Daten sollen auch an Drittstaaten und EU-Fahndungsbehörden übermittelt werden dürfen. Welche Finanztransaktionssysteme davon betroffen sind, ist in dem Abkommen nicht direkt geregelt. Das "alte" SWIFT-Transaktionssystem und das ebenfalls von SWIFT unterhaltene EU-Überweisungssystem SEPA sind getrennt. Laut SWIFT werden die SEPA-Daten nicht geloggt und wären damit auch nicht Gegenstand des Abkommens.
Keine Evaluierung des Flugdatenprogramms
"In der Praxis sieht man davon nichts", sagte Strasser. Beim Besuch einer Delegation des EU-Parlaments im US-Kongress seien die Europäer auf taube Ohren gestoßen. Man habe vor allem jene Themen angesprochen, in denen die Positionen weit auseinanderliegen, etwa die erzwungene Lieferung von europäischen Flugpassagierdaten (Passenger Name Records, PNR) an Datenbanken des Heimatschutzministeriums.
"Wir haben sowohl vom US-Kongress wie von der Ministerin für 'Homeland Security', Janet Napolitano, verlangt, endlich die zugesagte Evaluierung dieses Programms durchzuführen", sagte Strasser zu ORF.at. In der EU mehrten sich nämlich immer mehr die Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Programms.
Flugdatenerfassung in Europa
Auf die Frage von ORF.at, ob er selbst die Einführung eines europäischen Flugpassagierdatensystems befürworte, wie es einige seiner Fraktionskollegen mehrfach gefordert hatten, beantwortete Ex-Innenminister Strasser so: "Mag sein, dass es da andere Meinungen gibt, ich halte diesen Ansatz zur Fahndung nach Terroristen nicht für zielführend."
Finanzdaten weiterhin begehrt
Zu einem anderen umstrittenen transatlantischen Thema verhandeln EU und USA derzeit, allerdings sind daran vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nur Kommission und Rat beteiligt.
Für die ebenfalls von den USA erzwungene Übermittlung von Finanztransferdaten aus der internationalen Abrechnungszentrale SWIFT muss bis Ende dieses Jahres ein neues Abkommen ausgehandelt werden.
Bei den vorhergehenden Verhandlungen hatte stets die US-Seite ihre Vorstellungen vorgegeben, was unter Drohungen der Beschlagnahme des SWIFT-Datencenters in den USA vor sich ging. Laut Strasser hat sich an der Situation nichts geändert.
Fekter schließt sich Kritik an
Auch Innenministerin Maria Fekter hat am Donnerstag das geplante Abkommen zum Finanzdatentausch kritisiert, wie die Nachrichtenagentur APA am Freitag unter Berufung auf Fekters Sprecher Gregor Schütze berichtet. Das Innenministerium stört sich daran, dass im Abkommen kein ausreichender Datenschutz vorgesehen sei. Auf Details wollte Schütze nicht eingehen, er konnte auch nicht sagen ob die auf den 30. November angesetzte Unterzeichnung des Abkommens im EU-Ministerrat nun verschoben werde. Die Gespräche zwischen Rat, Kommission und US-Unterhändlern gehen unterdessen weiter.
Abkommen auf zwölf Monate beschränkt
Von europäischer Seite wurden von der konservativen, der sozialdemokratischen und der liberalen Fraktion für die Erfassung solcher Daten Richtlinien vorgelegt, die "auf Basis der europäischen Datenschutzgesetze Standards der Bürgerrechte" stehen.
Was Rat und Kommission im Moment mit den US-Heimatschützern aushandelten, sagte Strasser, sei wenig geeignet, die schweren Bedenken einer großen Mehrheit im EU-Parlament zu zerstreuen. Deshalb habe man seitens der Parlamentarier darauf gedrängt, dass dieses neue SWIFT-Abkommen auf zwölf Monate beschränkt werde. Nach Inkraftreten des Vertrags von Lissabon verhandelt das EU-Parlament hier nämlich mit. In diesem Punkt habe das Parlament im Übrigen eine sehr klare Haltung an den Tag gelegt, von der man nicht abgehen werde.
SPÖ mahnt mehr Datenschutz an
Für die SPÖ sagte Johann Maier, Vorsitzender des Datenschutzrats, dass eine Übermittlung von Finanzdaten zur Terrorbekämpfung nur dann stattfinden sollte, wenn konkrete Verdachtsmomente vorliegen und auch dann nur "auf Basis einer strengen, verhältnismäßigen und transparenten Rechtsgrundlage". Der Nationalrat habe bereits vor zwei Jahren einen Antrag gegen die Weitergabe von Bankdaten an die USA einstimmig beschlossen, erinnert Maier. Hannes Swoboda, Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion des Europaparlaments mahnt ein Mitspracherecht der Volksvertreter an. Es sei "nicht akzeptabel", wenn der Rat das Abkommen jetzt und ohne Teilnahme des EU-Parlaments abschließen wolle.
Eintrittsgeld für die USA
Was Strasser zusätzlich irritiert, ist das Verhalten führender Kongressmitglieder der US-Demokraten. So grenze die von US-Demokraten eingebrachte neue Verordnung zur "Abgabepflicht von zehn Dollar pro Einreisenden an Wegelagerei". Dass mit der Einhebung dieser Bearbeitungsgebühr noch in diesem Jahr begonnen werden solle, habe auch Napolitano bei ihrem Besuch im EU-Parlament am Freitag bestätigt, sagte Strasser.
Verschärfte Einreisebestimmungen
Zusätzlich stehe ein Vorhaben im Raum, die "Visa Waiver"-Programme, also die visumfreie Einreise von Europäern in die USA, zu verschärfen. Die möglichen Konsequenzen seien dabei, dass Bürger weiterer EU-Staaten auf einen Status wie jene aus Bulgarien und Griechenland zurückgestuft werden könnten.
Teile der Regierung praktizierten offensichtlich das Gegenteil von dem, was Obama sage. Angesichts dessen dränge sich für einen Europäer der Eindruck auf: "Er hat den Laden nicht im Griff."
(futurezone/Erich Moechel)