
Opera Unite: Die verschobene Web-Revolution
Der norwegische Browser-Hersteller Opera will mit seinem neuen Unite-Dienst das Web neu erfinden. Jede lokale Browser-Installation soll damit zum Server werden und so den dezentralen Charakter des Webs stärken. Eine massiv beworbene Testversion erwies sich jedoch als Flop.
Als das norwegische Software-Haus Opera Mitte Juni die Browser-basierte Web-Plattform Opera Unite vorstellte, sparte die Firma nicht an großen Gesten. Ein professionell produziertes Werbevideo versprach Nutzern Unabhängigkeit von der Diktatur fremder Server. Operas CEO Jon von Tetzchner erklärte in einer Pressemitteilung, Unite werde die Grundstruktur des Webs für immer verändern. Und auf Operas Website hieß es, die Technologie werde das Web neu erfinden.
Im Zentrum all dieser Versprechungen steht eine simple Idee: Unite integriert einen Web-Server in Operas Browser. Nutzer können damit auf ihrem eigenen PC Websites veröffentlichen und Dateien zum Download anbieten. Unite lässt sich zudem mit selbst geschriebenen Software-Modulen erweitern.
Module für Chat und Dateitausch
So können Nutzer beispielsweise Erweiterungen zum Tausch von Dateien oder zum Betreiben eines Web-Chats herunterladen. All diese Dienste lassen sich dann auch mit anderen Browsern abrufen, so dass Unite-Nutzer damit beispielsweise ganz einfach Dateien mit Freunden tauschen können.
Soweit zumindest die Theorie. In der Praxis erwies sich Unite schnell als unbenutzbar.
Nadelöhr Proxy-Server
Bereits wenige Tage nach der pompösen Vorstellung von Opera Unite begannen Nutzer zu beklagen, dass Freunde nicht auf ihre Unite-Dienste zugreifen konnten. Diese Klagen rissen auch in den folgenden Wochen nicht ab. Schuld daran ist eine Kernkomponente der Unite-Technologie. Opera nutzt nämlich einen Proxy-Server, um Nutzern die Verbindung über Firewall-Grenzen hinaus zu erlauben.
In einem typischen Firmennetzwerk ist es beispielsweise nicht ohne weiteres möglich, den eigenen Computer als Server zu konfigurieren, ohne dazu Einstellungen am Router zu verändern. Opera leitet deshalb die Daten derart abgeschirmter Nutzer über spezielle Proxy-Server weiter, die sich damit gewissermaßen als Vermittlungsinstanz zwischen einem PC mit Unite-Dienst und einem anderen PC etablieren. Die Firma bietet Unite-Nutzern zudem automatisch die Möglichkeit, die eigenen Browser-Dienste unter einer Operaunite.com-Adresse erreichbar zu machen.
Instabile Verbindungen
Die Proxys erwiesen sich jedoch schnell als Nadelöhr der Unite-Technologie. Browsern mit Unite-Erweiterung gelang es nur selten, mehr als ein paar Minuten lang stabile Verbindungen zu Operas Proxy-Servern aufzubauen. Wenn sie ihren Freunden die Adressen ihrer Unite-Sites gaben, bekamen diese stattdessen nur Fehlermeldungen in ihren Browsern angezeigt.
"Wir haben tatsächlich ein paar schwerwiegende Probleme mit den Proxy-Servern", gibt Opera-Unite-Produktmanager Navjot Pawera auf Anfrage von ORF.at zu. Wann die Probleme behoben sein werden, kann Pawera nicht sagen. Stattdessen verweist er entschuldigend darauf, dass es sich bei Unite um eine Alphaversion der Opera Labs handelt. Mit anderen Worten: experimentelle Software.
Firmeninterner Test
Opera habe Unite vor der Veröffentlichung mehrere Monate firmenintern getestet, weiß Pawera zu berichten. Im Anschluss an diese Tests habe man sich bewusst für einen offenen, unbegrenzten Alphatest entschieden. "Wir wollten herausfinden, wie gut oder wie schlecht unsere Architektur unter Last funktioniert", erklärt er dazu. Die jetzigen Ausfälle seien zwar ärgerlich für Unite-Nutzer, aber sehr lehrreich für Operas Programmierer. "Das sind genau die Dinge, die wir wissen wollten", so Pawera.
Dazugelernt hat man auch in Sachen Datenschutz. Da Unite auf einem Webserver basiert, tauchten schon kurz nach dem Beginn des Alphatests erste Nutzer-Websites in Googles Index auf. Besonders pikant daran: Google gelang es, auch einige passwortgeschützte Websites zu indizieren. Opera reagierte darauf mit einem Update, das Suchmaschinen standardmäßig die Indizierung von Unite-Inhalten verbietet.
So offen wie möglich?
Manch einem Kritiker ist all das jedoch noch nicht genug. So schrieb der bekannte Blogger Chris Messina, Operas Gerede von der Unabhängigkeit von großen Servern und Web-Anbietern sei nur vorgeschoben. "Ihnen geht es nicht um Freiheit", so Messina, "sondern um die schrumpfende Relevanz des eigenen Browsers in Zeiten von Google Chrome und Apples Safari."
Messina stört sich nicht nur daran, dass Unite wegen Operas Proxy-Architektur nicht wirklich dezentral ist. Ihm missfällt auch, dass die Firma den Dienst nicht für Drittanbieter öffnet. So ist es beispielsweise nicht möglich, Unite-Dienste mit einem Firefox-Browser zu betreiben.
Eigene Proxy-Server
Unite werde auf absehbare Zeit auf Opera beschränkt sein, erklärt Pawera dazu. Gleichzeitig weiß er: "Wir müssen es so offen wie möglich gestalten." Nutzern soll es deshalb in Zukunft auch möglich sein, eigene Proxy-Server zu betreiben.
Seine Firma wolle zudem keine Kontrolle darüber ausüben, welche Unite-Dienste Endnutzer auf ihren Maschinen installieren. Opera betreibt ein eigenes Verzeichnis von Unite-Diensten, Endnutzer können jedoch problemlos auch Services von anderen Websites installieren.
Nur wenige Erweiterungen
Bisher ist das Interesse am Entwickeln derartiger Unite-Erweiterungen jedoch begrenzt – wohl auch, weil die Nutzerbasis aufgrund der technischen Probleme noch sehr klein ist. Paweras Team konzentriert sich deshalb derzeit in erster Linie auf das Verbessern der Proxy-Server-Infrastruktur.
Ob er sich im Nachhinein wünscht, seine Firma hätte die Technologie nicht ganz so sehr an die große Glocke gehängt? Pawera verneint: "Wir haben es so groß angekündigt, weil wir viele Tester haben wollten." Leider sei jedoch nicht allen Nutzern klar gewesen, dass es sich bei der Technologie noch nicht um ein fertiges Produkte handle. "Das hätte man vielleicht anders handhaben sollen", gibt er zu.
(Janko Röttgers)