ICANN veröffentlicht Strategieplan

08.12.2006

Die Internet-Adressverwaltung ICANN hat am Freitag ihren Strategieplan für die kommenden drei Jahre veröffentlicht. Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass die Organisation sich international breiter abstützen möchte, um weiterhin amerikanisch bleiben zu können.

In dem 18-seitigen Dokument skizziert die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ihre Ziele für die kommenden fünf Jahre. Das Dokument wurde vom ICANN-Vorstand auf dem Treffen der Organisation angenommen, das diese Woche im brasilianischen Sao Paulo stattgefunden hat.

Im August hatte das US-Handelsministerium den Vertrag mit der ICANN über die weitere Verwaltung der DNS-Rootzone bis 2011 verlängert.

Turf abstecken

In dem diplomatisch vage gehaltenen Dokument geht es vor allem darum, dass die ICANN ihre Arbeitsweise professionalisieren und ihre Entscheidungsprozesse auf internationaler Ebene breiter abstützen möchte - ohne dabei wieder auf basisdemokratische Experimente wie die At-Large-Wahlen von 2000 zurückzugreifen, bei denen auch kritische Geister wie Karl Auerbach oder der deutsche CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn ins Direktorium gewählt wurden.

Vor allem die neuen IT-Mächte China und Indien sähen die Internet-Adressverwaltung lieber in den Händen der International Telecommunication Union als in jenen der ICANN, die ihre Legitimation aus einem Vertrag mit dem Handelsministerium der USA bezieht.

Spaltung vermeiden

Die Autoren des Strategiepapiers warnen demensprechend vor einer drohenden Aufspaltung des DNS-Systems durch "unzufriedene Nutzer", die "mit den Einschränkungen durch technische Protokolle oder mit Aktionen von Regierungen nicht einverstanden sind".

Außerdem möchte die ICANN ihren "angemessenen Platz" zwischen den anderen internationalen Organisationen einnehmen, die mit verschiedenen Aspekten der Internet-Regulierung befasst sind.

Kernbereiche identifizieren

Die ICANN-Strategie für die kommenden drei Jahre bezieht sich auf fünf Kernbereiche.

Erstens möchte die ICANN effizienter arbeiten und genauer auf ihre Finanzen achten. So sollen die Aufgaben ihrer Unterorganisation Internet Assigned Numbers Authority [IANA] weiter automatisiert werden. Zur Finanzierung ihres Betriebs will die ICANN auch "neue Einkommensquellen erschließen".

Zweitens will die ICANN ihre Entscheidungsprozesse transparent machen und die Bedürfnisse der verschiedenen Interessensgruppen besser erforschen. Zu diesem Zweck will die ICANN Studien über technische, wirtschaftliche und soziale Aspekte ihres Vorgehens in Auftrag geben und in verschiedenen Sprachen publizieren. Auch die Arbeit der ICANN-Unterorganisationen und Beratergruppen soll weiter formalisiert werden.

Drittens erkennt die ICANN trocken an, dass das Internet mittlerweile eine internationale Angelegenheit geworden ist. Dokumente der Organisation sollen nun auch in anderen Sprachen außer Englisch publiziert werden. Das macht es nötig, Übersetzungsrichtlinien einzuführen. Außerdem will die ICANN dafür sorgen, dass auch die "weniger entwickelten Regionen" besser gehört werden.

Organisation privatisieren

Viertens will die ICANN die Zusammenarbeit mit ihren Interessengruppen verbessern. Ausdrücklich erwähnt sind in dem Papier "Experten aus den Bereichen Technik und Wirtschaft". Auch die Zusammensetzung des Nominierungskomitees, das über die Besetzung von Spitzenpositionen in der ICANN entscheidet, soll untersucht werden.

Für Probleme, die die Arbeit der ICANN am Rande betreffen, sollen spezielle Foren eingerichtet werden. Von verbesserter Kommunikation mit interessierten Gruppen außerhalb der üblichen Expertenkreisen ist im Strategiepapier wenig zu lesen, ausser vagen Ankündigungen, die eigene Arbeit besser verständlich machen zu wollen.

Fünftens will die ICANN "engen Kontakt mit Interessengruppen" halten, um weitere Schritte hin zu einer Privatisierung des Internet-Adresssystems zu definieren [Punkt 5.4]. Insgesamt scheint die Strategie mit ihren Plänen zur Straffung und besseren Finanzierung der internen Strukturen die Organisation darauf abzuzielen, die bisher gemeinnützig inkorporierte ICANN für ein Überleben auf dem freien Markt fit zu machen.

Wer dann allerdings die privatisierte Regulierungsinstitution regulieren soll, ist aus dem Strategiepapier nicht herauszulesen. Mit einer endgültigen Trennung der Internet-Adressverwaltung von staatlichen Stellen könnte die US-Regierung die Versuche ihrer Gegenspieler konterkarieren, die Aufgaben der ICANN etwa auf die ITU übertragen zu lassen.

Die ICANN zieht durch ihre auf Experten und wirtschaftliche Interessensgruppen abgestimmte Politik einige Kritik auf sich. Ex-ICANN-Direktoriumsmitglied Karl Auerbach wies kürzlich im Gespräch mit ORF.at auf den Mangel an demokratischen Strukturen in der Organisation hin.