Mautsystem offiziell auch Terrorabwehr
Die Einführung der so genannten Anti-Stau-Gebühr hat am Montag auf Anhieb zu einer drastischen Verringerung des Verkehrsaufkommens in der Londoner Innenstadt geführt. In der chronisch verstopften City nahm am ersten Tag der neuen Regelung die Zahl der Autos um ein Viertel ab.
Bürgermeister Ken Livingstone sagte: "Wenn die Anti-Stau-Gebühr hier funktioniert, wird sie bis zum Ende des Jahrzehnts in aller Welt eingeführt werden."
Die Betreibergesellschaft Transport for London bezeichnete den Verlauf als Erfolg, wollte jedoch die weitere Entwicklung vor einem abschließenden Urteil abwarten. Seit Montag müssen Autofahrer auf dem Weg ins Zentrum eine Tagesgebühr von fünf Pfund [7,50 Euro] entrichten. Ein Netz von 800 Kameras überwacht die 21 Quadratkilometer große Innenstadtzone. Anhand der Nummernschilder wird überprüft, ob eine Einfahrtsgebühr bezahlt wurde. Das System soll eine Genauigkeit von 90 Prozent aufweisen.

Anti-Terror-Maßnahme inkludiert
Datenschützer dürften die Prophezeihung Livingstones unterdessen eher besorgen: Die Kameras lesen nämlich nicht nur die Kennzeichen der Fahrzeuge, sondern sollen mit speziell entwickelter Software auch die Gesichter der Fahrer erfassen können.
Während Livingstone allerdings noch Ende letzter Woche diese Nutzung des Systems entgegen den entsprechenden Presseberichten entschieden bestritten hatte, sprach er gestern in einem Interview explizit davon, dass die neuen Überwachungsmöglichkeiten London sicherer machen würden:
"Daran haben wir zunächst nicht gedacht", sagte Livingstone, aber nach dem 11. September sei die Zusatzfunktion hoch willkommen: "Für einen Verbrecher wird es jetzt wesentlich schwerer, [unerkannt] in die Innenstadt zu gelangen."
Ein Autofahrer soll laut dem "Observer" bei der Durchfahrt durch die Innenstadt im Durchschnitt drei Mal von den Kameras erfasst werden. Wird das Projekt als erfolgreich gewertet, sollen schon bald 30 weitere Städte in Großbritannien das System übernehmen.
Ob dieser "Anti-Terror"-Teil des neuen Systems am ersten Tag ebenfalls reibungslos funktioniert hat, wurde von den Verantwortlichen allerdings nicht erwähnt. Die Kameras und die gespeicherten Bänder sollen aber angeblich nur im konkreten Bedarfsfall der Polizei oder anderen Ermittlern zu Verfügung gestellt werden.

Daten wochenlang gespeichert
Obwohl sich die Verantwortlichen zu den generellen Überwachungsfunktionen bisher eher bedeckt geben, ist davon auszugehen, dass die Videos der Kameras mehrere Wochen gespeichert werden sollen.
Das geht daraus hervor, dass sie zur Ermittlung säumiger Zahler herangezogen werden sollen. Da das und die folgende Prozedur der Schuldeneintreibung jeweils einige Zeit braucht, kann man davon ausgehen, dass die Bänder mindestens einige Wochen gespeichert werden sollen.
Prinzipiell arbeitet das System mit zwei verschiedenen Kameratypen: zum einen Infrarot-Systeme zur Erfassung der Nummerschilder, zum anderen normale Videokameras, deren Bilder herangezogen werden, wenn die Infrarot-Kameras ein Nummerschild nicht lesen können, weil es verschmutzt ist oder vom Fahrer absichtlich verdeckt wurde.