Machtkampf bei AOL Time Warner
Der Verwaltungsrat des US-Medienriesen AOL Time Warner will offenbar seinen Präsidenten, Steve Case, vor die Tür setzen. Wie die "New York Times" unter Berufung auf Personen aus der unmittelbaren Umgebung des Verwaltungsrats berichtete, soll der Plan schon bei der nächsten Verwaltungsratssitzung am kommenden Donnerstag in die Tat umgesetzt werden.
AOL-Gründer Case will der Zeitung zufolge jedoch an der Spitze des Konzerns bleiben, den er Anfang 2000 durch die Fusion seines weltgrößten Internet-Anbieters mit dem Medienunternehmen Time Warner geschmiedet hat.
Dreiviertel-Mehrheit nötig
Um die Pläne seiner Widersacher zu vereiteln, müsste Case
mindestens drei der 14 Verwaltungsratsmitglieder auf seine Seite
bringen, schrieb die "New York Times". Denn nur mit einer
Dreiviertel-Mehrheit könne der Rat seinen Präsidenten entlassen. Ein
Unternehmenssprecher wurde allerdings in dem Zeitungsbericht mit der
Aussage zitiert, die Gerüchte über einen erzwungenen Weggang von
Case entbehrten jeder Grundlage.
Noch mehr Troubles für AOL Time Warner106,2 Mrd. USD in überbewerteten Aktien
Bereits Mitte Juli hatte mit Robert Pittman die Nummer zwei von AOL Time Warner und ein enger Vertrauter von Case abtreten müssen. Pittman war an der Aufgabe gescheitert, den unter der Flaute in der Internet-Branche leidenden Online-Dienst AOL wieder auf Kurs zu bringen.
AOL war damals auf den Rang eines einfachen Geschäftsbereichs herabgestuft worden. Der Zusammenschluss hatte aus Sicht von Time Warner nicht die erhofften Vorteile durch die Verbindung eines traditionellen Medienunternehmens mit einem Internet-Dienst gebracht.
Steve Case hatte die Übernahme von Time Warner eingefädelt, die für 106,2 Milliarden USD in AOL-Aktien stattfand. Die AOL-Aktien waren damals massiv bewertet und nahe ihrem Allzeithoch.
Time-Warner-Veteranen sind sauer
Es herrschen starke Animositäten unter den Time-Warner-Veteranen, die befürchten, für überbewertete AOL-Aktien ihr Business verschleudert zu haben. Die ehemaligen Time-Warner-Granden haben nun die meisten Schlüsselpositionen - unter der Führung von Richard Parsons - im Unternehmen eingenommen.
AOL war kürzlich unter Beschuss geraten, als das Unternehmen zugeben musste, drei große Werbeverträge falsch verbucht zu haben. Der US-Bundesstaat hat Klage eingereicht, weil sein Pensionsfonds durch den folgenden Aktienpreisverfall rund 250 Millionen USD verlor.
