AOL mit Gewinn, aber unter Betrugsverdacht
Der weltgrößte Medienkonzern AOL Time Warner hat im zweiten Quartal erstmals seit Abschluss der Fusion von AOL und Time Warner vor rund 18 Monaten wieder netto schwarze Zahlen geschreiben.
Im Zuge eines unverändert schwachen Online-Geschäfts wurden jedoch ein gegenüber dem Vorjahr stagnierender Gewinn vor Sonderposten ausgewiesen.
Konzernchef Richard Parsons gab zudem bekannt, dass die US-Börsenaufsicht [SEC] die Bilanzpraxis des Unternehmens prüfen wird. Parsons beteuerte allerdings, bei AOL Time Warner gebe es keine Unregelmäßigkeiten.
AOL-Aktien verloren nachbörslich rund sieben Prozent. Analysten sagten, die SEC-Prüfung werde am Markt wohl für schlechte Stimmung sorgen. Die "Washington Post" hatte in der Vorwoche geschrieben, AOL habe zwischen 2000 und 2002 die Umsätze im Anzeigengeschäft durch Bilanztricks um mindestens 270 Millionen USD [272 Millionen Euro] "aufgeblasen".

Analysten unter Verdacht
Nach eigenen Angaben leitete die SEC auch Ermittlungen gegen zwölf börsennotierte Investmentbanken ein. Grund sei die mögliche Missachtung von Vorschriften, die das Verhalten der Analysten bei Interessenskonflikten regelten, sagte der leitende Ermittler der SEC, Stephen Cutler.
In Presseberichten war zuvor bereits von Ermittlungen der SEC gegen zehn Investmentfirmen wegen möglicher Interessenskonflikte die Rede gewesen, unter anderem gegen Merrill Lynch, die Citigroup, Morgan Stanley und Goldman Sachs. Nach Angaben von Justizvertretern sollen sich Merrill-Analysten in privaten E-Mails abschätzig über Unternehmen geäußert haben, für die sie in der Öffentlichkeit Kaufempfehlungen abgaben.

Erster Netto-Gewinn
Der Gewinn vor Sonderposten habe wie im Vorjahreszeitraum 0,24 USD je Aktie betragen, teilte AOL Time Warner mit. Analysten hatten im Mittel nur mit 0,22 USD Gewinn je Aktie gerechnet. Der Nettogewinn betrug allerdings 394 Millionen USD [398 Mio. Euro] nach einem Verlust von 734 Millionen USD im Vorjahreszeitraum.
Im ersten Vierteljahr hatte AOL Time Warner wegen milliardenhoher Abschreibungen noch den höchsten Nettoverlust der US-Geschichte verbucht.
Der Quartalsumsatz legte binnen Jahresfrist um zehn Prozent auf 10,6 Milliarden USD zu und übertraf damit ebenfalls die Analystenprognosen von 10,02 Milliarden USD. Für das Gesamtjahr prognostizierte AOL Time Warner ein Umsatzwachstum am oberen Ende der bereits zuvor genannten Bandbreite von fünf bis acht Prozent.

Schwaches Online-Geschäft
Im abgelaufenen Quartal florierte AOL Time Warner zufolge besonders das Filmgeschäft und auch die Fernsehkabelnetz-Sparte. Vor allem der Kino-Hit "Harry Potter und der Stein der Weisen" trug zum Erfolg der Filmsparte bei.
Die vergleichsweise schwachen Erträge der AOL-Sparte belasteten dagegen das Quartalsergebnis des Medienkonzerns. Der Online-Geschäftsbereich kämpft seit längerem mit sinkenden Werbeeinnahmen und schwächerem Wachstum des Kundenstamms.
Die Sparte verzeichnete auf vergleichbarer Basis einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 473 Millionen USD nach 652 Millionen USD ein Jahr zuvor. Der Umsatz fiel auf 2,27 Milliarden USD von 2,33 Milliarden USD.

Neukunden bleiben aus
In den vergangen drei Monaten meldeten sich nur 492.000 neue Nutzer beim AOL-Online-Dienst an. Analysten hatten mit bis zu einer Millionen Neukunden gerechnet.
"Die Probleme beim Wachstum des Kundenstamms haben sich bei AOL dramatisch verschlechtert", sagte Analyst Jordan Rohan von SoundView Technology.
AOL-Manager begründeten dies mit einem traditionell schwachen Zuwachs im zweiten Quartal, räumten aber ein, dass vor allem in Europa und Lateinamerika kaum oder gar keine neuen Kunden hinzugekommen seien.