Linux-Firmen als Global Player
Die Etablierung von Linux als ernst zu nehmende System-Konkurrenz zwingt sowohl den Softwaremarkt als auch die Linuxfirmen zu einschneidenden Änderungen. Etablierte Softeware-Firmen sehen ihre Zukunft in der Gegenwart der Linux-Distributoren [Verlagerung des Geschäfts zu Serviceleistungen], die Open-Source-Unternehmen sind derzeit dabei, ihre Rolle im globalen Business zu definieren.
Die Entwicklung Red Hats als momentan größter Linux-Firma zeigt die Chancen und Risiken dieses Prozesses: Als das Unternehmen im August an die Börse ging, waren seine Notierungen 14 Dollar wert, bis Mitte November stiegen sie auf über 100 Dollar. Und nach dem Beginn der erwarteten Einkaufstour [Übernahme von Cygnus] verdoppelte sich der Wert bis vergangenen Freitag noch einmal auf 213,5 Dollar.
Aber während die Börse klar auf Red Hat setzt als die Firma, die aus einem freien Betriebssystem Gewinne zieht, ist alles andere als klar, wie dies genau geschehen soll.
Der Grund für den Schwindel erregenden Wertzuwachs ist die Kombination aus den Linux-Potenzialen und den Voraussetzungen für deren Vermarktung. Dazu ist ein Netzwerk freier Programmierer denkbar ungeeignet: Die Industrie verlangt nach Unternehmen, die die Produktverantwortung im Sinne klassischer Softwarefirmen übernehmen. Das gerade erfolgte Re-Design der Red-Hat-Site im so genannten Portal-Stil wird dieser Rolle gerecht.

Derzeit scheint es für Red Hat drei grundsätzliche Entwicklungs-Optionen zu geben, die auch durchaus parallel verfolgt werden können: Wachstum im bisherigen Tätigkeitsfeld, also vor allem Service für Business-Kunden, den Transfer des Betriebssystems auf neue Formate wie Handhelds und die Entwicklung in Richtung Desktop-System, also eine drastische Steigerung der Bedienungsfreundlichkeit.
Auf seinem angestammten Geschäftsfeld hat Red Hat allerdings Konkurrenz, die zwar nicht annähernd über dieselbe Kriegskasse verfügt, aber strategisch besser positioniert ist.
So bietet Linuxcare Service und Support, und zwar unabhängig von der Distribution. Offensichtlich hat Red Hat versucht, Linuxcare zu übernehmen, aber dabei eine Abfuhr erfahren: "Ausgehend von unseren Vorstellung scheint es kein funktionierendes Modell zu geben", kommentierte Linuxcare-Vize Arthur Tyde.

Ein weiterer Übernahme-Kandidat, VA Linux Systems, will selber in naher Zukunft an die Börse gehen.

Durch die Übernahme von Cygnus haben Spekulationen über den Einstieg in den Handheld-Markt Auftrieb bekommen: Das "embedded Cygnus Operating System" [eCos] könnte sich zu einer echten Konkurrenz für 3Coms Palm OS und Windows CE entwicklen.
Aus der Geschäftsperspektive wäre dies vor allem deshalb interessant, weil Lizenzverträge mit Hardwareherstellern eine feste Einnahmequelle wären, wobei Red Hat im Gegensatz zum Service-Business keine austauschbaren Leistungen anbieten würde.