25.11.1999

ENFOPOL

Bildquelle: PhotoDisc

Abhör-Debatte im Hauptausschuss des Nationalrats

Am Donnerstag wurde auf Antrag der Grünen das "Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union" im Hauptausschuss diskutiert. Dieses EU-Rechtshilfeübereinkommen enthält höchst umstrittene Pläne für eine grenzüberschreitende Überwachung des Telekommunikationsverkehrs [Enfopol].

Justizminister Michalek stand den Abgeordneten Rede und Antwort und berichtete über den derzeitigen Stand der Verhandlungen auf EU-Ebene. Konkrete Anträge des grünen Abgeordneten Peter Pilz, die eine Kontrolle der staatlichen Abhörmaßnahmen durch den EuGH und das Europäische Parlament einerseits und eine Streichung des umstrittenen Artikels 18 [siehe Infobox], der große datenschutzrechtliche Probleme aufwirft, andererseits betrafen, wurden allerdings abgelehnt.

Damit hat der Hauptausschuss dem Justizminister für die bevorstehenden brisanten Verhandlungen des EU-Abhörpapiers im Rat der Justiz- und Innenminister keine Verhandlungsaufträge mitgegeben.

Das Überwachungspapier

Nach dem EU-Rechtshilfeersuchen soll es künftig möglich sein, eine in einem anderen Land befindliche Zielperson ohne Zuhilfenahme dieses Landes zu überwachen, wenn entsprechende technische Möglichkeiten bestehen. Zur Debatte standen im Hauptausschuss die Artikel 16, 17 und 18 des Rechtshilfeabkommens.

Artikel 16 regelt das Ersuchen um Überwachung des Telekommunikationsverkehrs: Zum Zweck einer strafrechtlichen Ermittlung kann eine zuständige Behörde in einem Mitgliedstaat [ersuchender Mitgliedstaat] in Übereinstimmung mit den innterstaatlichen Rechtsvorschriften an eine zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats [ersuchter Mitgliedstaat] ein Ersuchen um Überwachung des Telekommunikationsverkehrs richten. Dabei soll die Überwachung nicht nur im ersuchenden oder im ersuchten Mitgliedstaat möglich sein, sondern auch in einem dritten Mitgliedstaat.

In Artikel 17 wird normiert, dass Telekommunikation über Satelliten nicht nur in jenem Land abgehört werden darf, in dem sich die Bodenstation des Satelliten befindet, sondern - durch Einschaltung des jeweiligen Diensteanbieters - auch in anderen Ländern.

Einer der Hauptdiskussionspunkte im heutigen Hauptausschuss war die Frage einer Einbindung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Gerichtshofes [EuGH] als Kontrollinstanzen für derartige grenzüberschreitende Abhörmaßnahmen. Ein diesbezüglicher Antrag des grünen Abgeordneten Peter Pilz wurde - aus formalen Gründen - abgelehnt.

Michalek hielt fest, dass so eine Einbeziehung des EU-Parlaments und des EuGH eine Änderung der EU-Verfassung bedeuten würde, und er nicht bereit sei, sich dafür einzusetzen. Die Frage, welche übergeordnete Instanz die grenzüberschreitenden Abhörmaßnahmen überprüfen soll, stelle sich laut Michalek nicht, da das ersuchte Land ohnehin die Voraussetzungen der Überwachung überprüfen könne.

Daten-Verwertungsverbot löchrig

Auch der zweite Antrag des Abgeordneten Pilz, der eine Streichung des Artikels 18 [Überwachung von Personen im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten ohne deren technische Hilfe] vorsah, wurde - wiederum aus formalen Gründen - abgelehnt.

Besonders umstritten ist Artikel 18, weil er einem Mitgliedstaat die Möglichkeit einräumt, in einem anderen Mitgliedstaat Überwachungsmaßnahmen durchzuführen, ohne dessen vorherige Zustimmung einzuholen. Der Mitgliedstaat ist lediglich von der Überwachung zu verständigen und hat dann 96 Stunden Zeit zuzustimmen. Während dieser 96 Stunden werden bereits fleißig Daten gesammelt und Abhörmaßnahmen durchgeführt.

Fraglich ist, was mit diesen Daten im Fall einer Nicht-Zustimmung geschieht. Art. 18 sieht vor, dass dieses Material nicht zu verwenden ist. Pilz äußerte Bedenken, dass die einmal gesammelten Daten tatsächlich von den Behörden vernichtet würden.

Michalek teilte diese Bedenken nicht. In Österreich bestehe diesbezüglich ein Beweisverwertungsverbot. Gleichzeitig räumte Michalek allerdings ein, dass das in einigen Staaten nicht so selbstverständlich sei. Art. 18 schaffe da Abhilfe. Wörtlich sagt Michalek über das Überwachungspapier: "Alles, was wir tun, ist eine Verbesserung."

Datenschutz

Generell unterstrich Michalek, man sollte das Rechtshilfeübereinkommen "rasch unter Dach und Fach bringen". Die Frage des Datenschutzes müsse aber geklärt werden. Dazu sei auch schon eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die an einer Ergänzung des Überwachungspapiers durch eine Datenschutz-Richtlinie arbeite.

Interessant an dieser Äußerung ist, dass das Abhörpapier offensichtlich, bevor die datenschutzrechtlichen Fragen restlos geregelt sind, schon beschlossen werden soll.

Auf Anfrage des SP-Abgeordneten Schieder versicherte er aber, dass die Konformität des Übereinkommens mit der Menschenrechtskonvention überprüft worden sei.

Nachrichtendienst vs. Strafverfolgungsbehörde

Ein weiterer wichtiger Problempunkt in dem Abhörpaket ist, so Pilz, dass zwar grundsätzlich die grenzüberschreitende Überwachung nur durch Strafverfolgungsbehörden erfolgen soll, gleichzeitig aber die Abgrenzung zwischen Strafverfolgungsbehörde und Nachrichtendienst nicht immer eindeutig sei.

Besonders Großbritannien, wo es keine klare Trennung zwischen den Abhörmaßnahmen von Polizei- und Zollbehörden einerseits und den Geheimdiensten andererseits gibt, stellt in diesem Zusammenhang ein Problem dar.