01.03.2001

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Bildquelle: Stone

Miserable Lebensqualität für IT-Arbeiter

Der IT-Arbeiter von heute wird ausgebeutet, muss seiner Firma ständig zur Verfügung stehen, hat weniger Freizeit und weniger Benefits.

Dieses Bild, das die Buchautorin Jill Andresky Fraser in ihrem Buch "White-Collar Sweatshop" zeichnet, ist völlig konträr zum Image des qualifizierten, gut verdienenden Professionals, der in der Firma geachtet und geschätzt wird. Fraser hat während ihrer vierjährigen Recherche nicht nur Hunderte Angestellte diverser Firmen befragt, sondern auch Zahlenmaterial gesammelt, das ihre Theorien untermauert.

Fazit: Dem heutigen "white-collar worker" ["weißer Kragen" des Angestellten im Gegensatz zum blauen des Arbeiters] geht es schlechter als in den Siebzigern.

Kaum höhere Löhne

Das Netzmagazin Salon.com hat das Buch genauer unter die Lupe genommen. Die Kernaussage: Der Wirtschaftsboom der Neunziger hat den meisten überhaupt nichts gebracht. Ein männlicher Angestellter verdient heute [inflationsbereinigt] nur sechs Prozent mehr pro Stunde als im Jahr 1973, als die USA in einer schweren Depression steckten.

Einstiegsgehalt ist gesunken

Zwischen 1989 und 1997 ist das Einstiegsgehalt von Hochschulabgängern gar um 6,5 Prozent [Frauen: 7,4 %] gesunken. Fraser zitiert in ihrem Buch zwei Ökonomen, die herausgefunden haben wollen, dass es "unverheirateten Männern und Frauen zwischen 18 und 29 Jahren finanziell signifikant schlechter geht als in den Siebzigern und Achtzigern".

Trotz New Economy, IPOs und junger Millionäre geht es den Angestellten heute schlechter als früher. Die Veränderung hat sich aber nicht nur auf die Geldbörse, sondern auch aufs Gemüt geschlagen. Hier sind offensichtlich IT-Arbeiter noch stärker als andere betroffen.

Nicht ausschließlich New Economy

Frasers Buch befasst sich zwar nicht ausschließlich mit IT-Arbeitern, führt aber Unternehmen wie Intel und IBM als Parade-Negativbeispiele an.

Schlechte Arbeitsumstände

Krankheiten durch Stress, 24-Stunden-Erreichbarkeit, schrumpfende Pensionspläne, Überwachung von Mail und Telefon, Personalabbau und Mobbing - das sind die "Benefits", die den durchschnittlichen Angestellten heute erwarten.

Rezession in den Siebzigern war schuld

AOL ist besonders stolz auf seine "E-Mail-freien" Wochenenden, die ab und an den Mitarbeitern gewährt werden - als wäre es eine Gnade, am Wochenende frei zu haben.

Fraser ortet eine stark gesunkene Stimmung unter den Angestellten. Die Ursache, so ihre Annahme, vergräbt sich in den Siebzigern. Die Rezession erlaubte es den Unternehmen, nach dem Zweiten Weltkrieg dominierende Benefits wie ausreichend Freizeit, gute Nebenleistungen und angenehme Ruhestände nach und nach zu streichen. Die Achtziger, eine Zeit der feindlichen Übernahmen und Riesenmerger, hat den früheren Vorteilen schließlich den Rest gegeben.

"Darwinistische Unternehmensatmosphäre"

Veränderung ist derzeit keine in Sicht. Viele Angestellte seien sogar stolz auf ihre Elfstundentage. Die darwinistische Unternehmensatmosphäre, meint Salon.com, wäre mittlerweile so tödlich, dass es kaum vorstellbar erscheint, gegenseitiges Vertrauen und Zusammenarbeit unter den Mitarbeitern wieder herzustellen. Bestes Beispiel ist ein Zitat aus einer Lexus-Werbung: "Natürlich haben wir Urlaub. Er heißt Mittagspause."