Internet revolutioniert das Recht
Als "rechtsfreien Raum" kann man das Internet schon lange nicht mehr bezeichnen. Abgesehen davon, dass grundsätzlich die Frage gestellt werden kann, ob es das jemals war, hat die Gesetzgebung und Rechtsprechung der vergangenen Jahre ein immer dichteres Netz des "Internet-Rechts" geschaffen [zu einzelnen Rechtsfragen siehe "Mehr zu diesem Thema"].
Die Mechanismen, die dabei zur Anwendung kommen, sind revolutionär: Neben dem in kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen weit verbreiteten Gesetzesrecht [Gestaltung der Rechtslage durch Gesetze] setzt sich im Internet-Recht zunehmend eine Art Case-Law-System durch, bei dem gerichtliche Entscheidungen Recht schaffen.
Bestes Beispiel dafür ist
die österreichische und deutsche Domain-Rechtsprechung: Mit jeder
neuen Entscheidung wird die Rechtslage bei Streitigkeiten um
Domain-Namen weiter geklärt. Eine eigene Domain-Gesetzgebung hat
sich nicht entwickelt - und eigentlich besteht mittlerweile auch
fast kein Bedarf mehr dafür.

Pikant ist,
dass inzwischen in den USA ein "Anti-Cybersquatting Consumer Protection Act" geschaffen wurde - also ein Gesetz, dass die rechtliche Einordnung und den Schutz von Domainnamen regelt. Dabei ist der amerikanische Rechtsraum eigentlich vom Case-Law-System geprägt, bei dem in der Regel durch gerichtliche Entscheidungen Recht geschaffen wird.
ICANN als weltweite Autorität
Klar ist, dass das Recht der technischen Entwicklung der Internet und den daraus entstehenden Bedürfnissen folgt. Dabei wird die Rechtslage durch faktische Notwendigkeiten und Gegebenheiten geprägt.
So leitet die internationale Domain-Vergabestelle ICANN [Internet Corporation for Assigned Names and Numbers] ihre weltweite Autorität aus ihrer technischen Kompetenz und nicht aus einer Anerkennung durch die Regierungen der einzelnen Staaten ab.

RFCs geleiten die Domain-Manager
Die Tätigkeit der von ihr mit der Domain-Vergabe betrauten "Domain-Manager" richtet sich nicht nach Gesetzen, sondern nach dem aus dem Jahr 1994 stammenden Internet-Standard RFC 1591.
Dieser "Request for Comments" ist die Basis des Domain-Systems, wie wir es heute kennen und wird - obwohl von keiner staatlichen Autorität geschaffen nicht nur international anerkannt, sondern auch Gerichtsentscheidungen zugrundegelegt.
Haftung von Domain-Vergabestellen
So zuletzt in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs [OGH]
über die Haftung der Domain-Vergabestelle für
Kennzeichenverletzungen durch den Domain-Inhaber [fpo.at]: Hier hat
der OGH - basierend auf dem System des RFC 1591 - eine
Prüfungspflicht der Domain-Vergabestelle NIC.at, ob ein Domain-Name
bestimmte Namens-, Marken- oder sonstige Kennzeichenrechte verletzen
könnte, abgelehnt.

Juristen müssen umdenken
Für Juristen heißt es umdenken - Phantasie ist gefragt und Innovationsgeist. Alt eingeübte Mechanismen funktionieren beim Internet nicht mehr, neue haben sich durchgesetzt und Autoritäten ganz anderer - technischer - Art haben sich etabliert.