12.01.2001

ANLEGERWUT

Neuer-Markt-Aktionäre wollen klagen

Immer neue Rekordkurse spornten im vergangenen Jahr mehr Anleger denn je zu Geschäften an der Börse an.

Besonders beliebt waren die scheinbar grenzenlosen Erfolg verheißenden Unternehmen auf dem Neuen Markt. Doch die Euphorie hat sich in Katzenjammer verwandelt: Nach den Kursstürzen der vergangenen Wochen wollen viele der quasi über Nacht zu Börsenspezialisten avancierten Anleger nun mit Schadenersatzklagen wieder an ihr verlorenes Geld kommen.

Die Aktionärsverbände warnen allerdings vor allzu hohen Erwartungen.

Allein bei der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz [DSW] in Düsseldorf haben bisher rund 900 Anrufer Klagen gegen New-Economy-Unternehmen gefordert, die mit unrealistischen Gewinnerwartungen oder schlicht geschönten Zahlen gelockt haben sollen.

"Hauptsächlich geht es dabei um EM.TV", sagt DSW-Sprecherin Petra Krüll. Der einstige Börsenliebling aus München hatte Anfang Dezember seine Gewinnprognose für das Jahr 2000 drastisch nach unten korrigieren müssen. Seine zuvor bereits ins Trudeln geratene Aktie war danach an den Börsen vollends abgestürzt.

"Viele sind enttäuscht, und natürlich ist der Versuch da, sich einen Teil der teilweise immensen Verluste zurückzuholen", sagt Krüll. Auch die Telefone der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre [SdK] stehen nicht still. "Wir hatten allein in Sachen EM.TV Hunderte von Anfragen", bestätigt Sprecherin Reinhild Keitel.

Von blindem Aktionismus raten die Aktionärsverbände jedoch ab. Zwar stellte die SdK im vergangenen September Strafanzeige gegen das Augsburger Softwarehaus Infomatec, das mit angeblich frisierten Börsenmitteilungen bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte.

In diesem Fall seien die Vorgänge relativ eindeutig, sagt Keitel. "Trotzdem provoziert die strafrechtliche Situation keinen Automatismus für einen individuellen Schadenersatzanspruch." Mit anderen Worten: Die Gefahr, dass Anleger in vielen Fällen am Ende mit leeren Händen dastehen, ist groß.